Schinkestr. 8/9 gegen Investor Taekker

Der dänische Immobilieninvestor Taekker versucht Menschen zu verdrängen.
Eine Pressemitteilung von Bewohnern des Hauses Schinkestr. 8/9 im Neuköllner Norden

Zwangsräumung und finanzieller Ruin – sich Taekkers neuer Taktik widersetzen

In der Räumungsklage gegen die Frauen*Lesben*Trans*queer-Etage in der Schinkestraße 8/9 setzt der Anwalt von Taekker, Herr Czink, jetzt auf die Durchsetzung von Schadensersatzforderungen. Diese können, wie er formuliert, „im hochstelligen Eurobereich“ liegen.

Zur Vorgeschichte

Die 1887 erbaute Fabrik Schinkestr. 8/9 ist Zeugnis des sich ab Mitte des 19. Jahrhunderts zwischen Maybachufer, Kottbusser Damm und Schinkestr. herausbildenden Industrieviertels und zählt heute zu den ältesten Industriebauten Neuköllns. Zuletzt beherbergte sie eine Schokoladen- und Backwarenfabrik. In den 1970er Jahren begann nach einigen Jahren Leerstand eine neue Ära (vgl. Bach, U., Hüge, C. 2004: 52 ff).

„Der damalige Grundstückseigentümer, dem die geplante gewerbliche Nutzung nicht genehmigt worden war und junge Leute, die nach erschwinglichem Wohnraum und nach neuen Wohn- und Lebensformen suchten, bildeten eine Interessensgemeinschaft.. In die Fabriketagen zogen Wohngemeinschaften ein. … In der Anfangszeit wohnten ca. 60 Menschen in den Fabrikgebäuden, Es gab eine Frauen-WG und eine Männer-WG… In den 80er Jahren feierten die Bewohner der `Schockoladenfabrik ́regelmäßig große Hoffeste“ (Bach, U., Hüge, C. 2004: 53).
Quelle: Bach, Ursula; Hüge, Cornelia (2004): Wo Neukölln auf Kreuzberg trifft. Das Reuterquartier im Wandel, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Berlin

2005 hat die Taekker Immobiliengruppe die Fabrik Schinkestraße erworben und bereits einige der Etagen weiter veräußert. Das Taekker Immobilienimperium hat in den letzten Jahren in Berlin gewaltige Gewinne erzielt und mittlerweile den Großteil seines Portfolios an einen noch größeren Londoner Investor verkauft. Gerne gibt sich Jörn Taekker als sozial-ökologisch nachhaltiger Stadtplaner, der einen ganzen Stadtteil in Aahus in Dänemark nach ökologischen Kriterien errichtet hat. In Berlin ist er einer von vielen Investoren, der vor allem Einkommensschwache aus ihren Wohnräumen heraus drängt, um diese dann gewinnbringend in Eigentum umzuwandeln und zu veräußern. Nun sind leider wir diejenigen, die mit den juristischen Winkelzügen seiner Rechtsanwälte zu kämpfen haben.

Nach unzähligen Kündigungsschreiben seit 2012 und mittlerweile zwei laufenden Prozessen wohnen wir noch immer in der Schinkestraße und haben die gerichtliche Anerkennung des Wohnzwecks unseres Vertrages durch ein Verfahren beim Amtsgericht im Rahmen einer Mietminderungsklage bestätigt bekommen. Doch die Anwälte Taekkers haben Berufung eingelegt und zusätzlich eine Räumungsklage gegen uns angestrengt, die am Berliner Landgericht verhandelt wird. Flankiert wird die juristische Auseinandersetzung von anwaltlichen Schreiben, die mittlerweile mit hohen Schadensersatzforderungen und einer Erweiterung um eine Feststellungsklage drohen.

Taekkers neue Taktik

Czink versucht sein „Verhandlungsangebot“ durchzusetzen, indem er es mit der Androhung finanzieller Forderungen koppelt. So wir uns auf sein Angebot „Auszug mit Abfindung“ nicht einlassen, stünde zum einen eine Nutzungsentschädigung ins Haus, die sich an der Marktmiete orientiere und für die er € 24.000/Jahr (gerechnet ab Beendigung des Mietverhältnisses) veranschlage. Zum anderen werde Schadensersatz dafür gefordert, dass die Einheit aufgrund der Belegung durch die Bewohner*innen nicht zumantizipierten Preis verkauft werden könne (für den er einen Marktpreis von € 10.000,-/m2 für eine vergleichbare, aber renovierte Etage ins Feld führt).

Unabhängig von der Frage, ob eine solche Forderung gerichtlich durchsetzbar ist, stellt schon die Drohung, gerichtet an Personen, die sich im unteren Einkommens- und Vermögensfeld bewegen, eine Unverschämtheit und Absurdität dar. Gleichzeitig verdeutlicht sie, dass Taekker sich mit einer Räumungsdrohung nicht mehr zufrieden gibt, sondern in drastischer Weise die finanzielle Existenz von Menschen aufs Spiel zu setzen bereit ist. Dass die Drohung mit Abfindungsangeboten (in diesem Falle im „niedrigstelligen“ Eurobereich) verknüpft wird, ändert nichts daran, dass dies offensichtlich die Funktion hat, Menschen davon abzuhalten, die ihnen gesetzlich zustehenden Rechte einzuklagen.

Juristische Feinheiten

Die Tatsache, dass die Räumungsklage überhaupt vor dem Landgericht Berlin und nicht dem Amtsgericht Neukölln geführt wird, ist damit begründet, dass Czink in Zweifel zieht, dass es sich im Falle dieser Etage um ein Wohnmietverhältnis handele, schließlich trage der Vertrag ja die Überschrift „Gewerbemietvertrag“. Zwar sprechen Indizien und Zeug*innenaussagen für ein Wohnmietverhältnis, und dies wurde auch in einem anderen Verfahren 2017 vom Amtsgericht bestätigt. Doch die Tatsache, dass der Wohnzweck von den Erstmieter*innen bezeugt wurde; dass im Vertrag keinerlei Zweck der gewerblichen Nutzung ausgewiesen ist; dass Gewerbemietverträge in Neukölln in den 1980er Jahren nachweislich für Wohneinheiten genutzt worden sind, die den baurechtlichen Anforderungen nicht entsprachen; dass Taekker die bewohnte Etage mehrfach persönlich besucht hat, werden von Klägerseite für nicht maßgeblich erklärt.

Wir lassen uns nicht einschüchtern und wehren uns explizit gegen diese Form der Repression. Wir wehren uns nicht nur gegen die Räumungsklage, wir kämpfen auch für den dauerhaften Erhalt der Etage als bezahlbarem Wohnraum für kollektives Leben. In Zeiten von Google Campus gilt es erst recht der Verdrängung zu widerstehen, die Preisspirale der Gentrifizierung zu bremsen und eine weitere Insel kreativen und sozialen Lebens zu sichern.

Wir freuen uns über Solidarität und Unterstützung! Über konkrete Ideen und Initiativen würden wir gerne gemeinsam sprechen.

Die Schinke-WG
schinke-wohnen@web.de

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