Task Force Okerstraße – Eine Kriegserklärung

Die Task Force Okerstraße (TFO) hat es sich zum Ziel gesetzt im Schillerkiez „aufzuräumen“ und „störende Objekte“ zu beseitigen. Für wen wird es nach dem Frühjahrsputz der TFO noch Platz im Schillerkiez geben?

Die AG „Task Force Okerstraße“ wurde 2008 im Schillerkiez von dem dort ansässigen Quartiersmanagement (QM) ins Leben gerufen. Sie ist, laut dem QM, eine Reaktion auf die gravierenden Probleme in unserem Kiez. Genauer gesagt, soll es die Antwort auf die „Problemhäuser“, die „Problemfamilien“ und die „Trinkerproblematik“ im Kiez sein (alle drei Begriffe tauchen so im Strategiekonzept des QM auf). Was vom QM als gutgemeintes, soziales Projekt vermarktet wird, entpuppt sich jedoch bei genauerem Hinsehen als ein stigmatisierendes und diskriminierendes Vorgehen, dass konsequenterweise zur Aufwertung des Kiezes und dem Austausch der MieterInnenstruktur führen soll. Dabei sollen unterschiedliche Akteure, u.a. die Polizei, das Jugendamt, die Schulen, das QM selbst und, wie es im Strategiekonzept zur Task Force Okerstraße heißt, die engagierten, „ganz normalen und angepasst lebenden Anwohnern“, gemeinsam ein soziales Bespitzelungsnetz um die als Problem empfundenen Menschen spannen. Durch die Formulierung dieser Idee allein bereits schon ausgegrenzt, sind die von der AG Task Force problematisierten Menschengruppen durch die Umsetzung des Strategiekonzepts zur Task Force Okerstraße auch konkret von Vertreibung aus dem Kiez gefährdet.

Die „Problemhäuser“
Als „Problemhäuser“ werden vom QM hauptsächlich drei Häuser in der Okerstraße gesehen, weil diese einerseits mittlerweile baufällig geworden und, laut QM, überbelegt sind. Die Lösungsvorschläge des QM hierfür sind Kontrollen sowohl des baulichen Zustandes der Häuser als auch die Kontrolle der in diesen Häusern lebenden Menschen. So soll es häufiger stattfindende Wohnungskontrollen durch Polizei und Ordnungsamt in den sogenannten „Problemhäusern“ geben. Dies zusammen mit Sanktionsmaßnahmen, wie z.B. die Kündigung der Wohnung, sollen dazu beitragen, dass „eine Zweiraumwohnung nicht mehr von 11 Menschen bewohnt wird“. Den Kopf voll von Sanktionsphantasien scheinen die verantwortlichen Personen des QM nicht einen Moment darüber nachzudenken, warum Menschen auf diese Weise zusammenleben. Obwohl in dem Strategiepapier selbst darauf aufmerksam gemacht wird, dass die meisten Menschen in diesen Wohnungen unter dem Existenzminimum leben, werden dennoch sie selbst und nicht ihre finanzielle Situation verantwortlich gemacht. Im Zusammenhang mit den „Problemhäusern“ wird auch immer wieder von „rumänischen Gastarbeitern, die Probleme verursachen“, und dem „Problem der EU-Osterweiterung“ gesprochen und es klingt wie eine Forderung des QM, die Grenzen sofort wieder zu schließen. Das Problem ist jedoch nicht die EU-Osterweiterung, sondern die Arbeitsverhältnisse dieser ArbeiterInnen und die Ausbeutungsmechanismen, denen sie ausgesetzt sind.

Die „Problemfamilien“
Auf rassistische Art und Weise wendet das QM den Begriff „Problemfamilien“ in seinem Strategiepapier explizit auf Sinti und Roma Familien im Kiez an und ethnisiert somit bestimmte, als negativ, beschriebene Zustände. Zudem wird von diesen Familien auch immer im Gegensatz zu den „ganz normalen und angepasst lebenden Anwohnern“ gesprochen. Für diese „Problemfamilien“ und deren Kinder, die sich laut QM oft benachteiligt fühlen, sollen im Rahmen der Task Force Okerstraße Betreuungsangebote eingerichtet werden. Weiterhin soll eine intensivere Kommunikation zwischen Schule, Jugendamt, Polizei und den SozialarbeiterInnen vor Ort initiiert werden, um beispielsweise gegen Schulversäumnisse vorzugehen. Gegen die angedachten kostenlosen Sportkurse und Beratungsangebote ist nichts einzuwenden, jedoch gegen die Stigmatisierung von Sinti und Roma Familien und das Netz von SozialarbeiterInnen, Jugendamt, Schule und AnwohnerInnen das gesponnen werden soll, um soziale Kontrolle und eine eigentlich illegitime Informationsweitergabe zu erreichen. Zudem, konfrontiert mit Vorurteilen sowie westlichen Lebensentwürfen und gezwungen, notfalls durch das Jugendamt und der Zahlung von Strafgeldern, sich dem deutschen Schulsystem auszusetzen, welches Menschen die Deutsch nicht als Muttersprache sprechen ohnehin benachteiligt, werden diese Kinder diskriminiert, sie fühlen sich nicht nur so. Vor dem Hintergrund, dass bestimmte Formen von Diskriminierung fest in den starren Strukturen von Schule und Gesellschaft verankert sind, sollte nicht nur über Sportangebote gesprochen, sondern eine generelle Kritik, beispielsweise am Bildungssystem, geübt werden. Das QM problematisiert allerdings lediglich Menschen, nicht die Strukturen, in denen sie leben. An diesen wird sich allerdings auch durch Sportkurse nichts ändern.

Die „Trinkerproblematik“
Eine weitere vom QM als problematisch empfundene Gruppe: die „Trinker“. Oder besser gesagt, hier eine kleine Korrektur, natürlich nur „die Trinker auf der Schillerpromenade“. All diejenigen, die sich gern in „netten“ Kneipen oder Cocktailbars volllaufen lassen und sich das vor allen Dingen auch leisten können, sind hier natürlich nicht gemeint. Es würde kein Mensch auf die Idee kommen, abgedunkelte Scheiben für Kneipen zu fordern, damit die Trinker, die dahinter sitzen, nicht mehr von außen sichtbar sind. Es geht also anscheinend nicht um den Alkoholkonsum an sich. Sondern darum, dass dieser Konsum sichtbar ist. All das Gerede vom Prinzip und den Kindern, die früh zur Schule gehen, und auf der Schillerpromenade an trinkenden Menschen vorbei laufen, hören sich wie schlechte Ausreden an. Es scheint bei der ganzen Sache doch viel mehr um die Eltern zu gehen, die damit konfrontiert sind ihren Kindern erklären zu müssen, weswegen es trinkende Menschen auf der Schillerpromenade gibt. Denn bei diesen Erklärungsversuchen könnte bei den Kleinen schließlich der Verdacht aufkommen, dass nicht alles für alle super läuft, dass es unterschiedliche Lebensweisen, Benachteiligung, Armut und andere Nöte gibt. Die Bänke auf der Schillerpromenade abzuschrauben, wie bereits geschehen, und die trinkenden Menschen von diesen Bänken zu vertreiben, ändert an diesen Tatsachen nichts. Es lässt sie nur aus dem Blickfeld verschwinden. Und genau das scheint hier das einzige Anliegen zu sein.

Dem, so das Strategiekonzept des QM zur Task Force Okerstraße, „ausgewiesenen Problembereich“ Nordneukölln soll die Task Force Okerstraße zu einem „sauberen und sicheren Wohnumfeld“ verhelfen.
Da fragt sich nur: sauber und sicher für wen?!