Schillerpromenade 26

Schillerpromenade 26 Schillers

*Schillers
„Was ist Milieuschutz, ohne den Schutz des Kiezlebens?“

Der Wirt der Kiezkneipe Schiller’s, Waldemar Schwienbacher, hat nach Ablaufen seines zehnjährigen Pachtvertrags zunächst kommentarlos die Kündigung für seinen Laden in der Schillerpromenade 26 erhalten. Die Gäste des Schiller’s sind bestürzt. Waldemar Schwienbacher ist eine soziale Institution im Kiez und hat zehn Jahre lang daran gearbeitet, seine Kneipe aufzubauen. Jede*r findet im Schiller’s Ansprache und fühlt sich wohl. Die Kündigung des Schiller’s bedroht Schwienbachers Existenz, sowie einen Raum im Kiez, an dem die unterschiedlichsten Menschen zusammenkommen. Erst nach medialer Aufmerksamkeit und Presseanfragen wurden neue Angebote vorgelegt: zunächst die drei- bis vierfache Mieterhöhung, nun ein Zwei-Jahresvertrag mit doppelter Miete. Das ist für ihn finaziell einfach nicht zu stemmen.

Aber nicht nur das Schiller’s ist bedroht. Seitdem das Haus Schillerpromenade/Ecke Okerstraße an die Aramis Immobilien GmbH verkauft wurde, erleben die Mieterinnen subtile, aber systematische Verdrängung: Unlautere Erhöhung der Betriebskosten, Sanierung einzelner Wohnungen, Neuvermietung an Menschen, die nicht länger als zwei Jahre bleiben, unterlassene Reparaturen bei den langjährigen Mieterinnen. Zuletzt eine Mieterhöhung von 15 Prozent. Gemeinsam versuchen sich die MieterInnen zu vernetzen und zu wehren. Ein zunehmend schwieriges Unterfangen, da bei Neuvermietungen scheinbar dezidiert nach MieterInnen gesucht wird, die nicht lange bleiben wollen und sich dementsprechend weniger für Kiezsterben und Mieter*innenkämpfe interessieren.

Die Menschen, die hinter der Aramis Immobilien GmbH stehen, sind dabei berühmt und berüchtigt: Marc, Oliver und Alexander Samwer sind Internet-Unternehmer, ihr Geschäftsmodell sind „venture capital“ Investitionen, also Risikokapital mit sehr hoher Rendite. Mit der Klingeltonabzocke Jamba!, Zalando und unzähligen anderen Start-Ups haben sie Milliarden gemacht – so viel, dass sie nicht wissen, wohin mit ihrem Kapital (“mehr Kapital als Ideen”) und jetzt mithilfe eines unübersichtlichen Firmengeflechts in Immobilien investieren – sehr zum Leidwesen der Mieter*innen.

In Berlin waren übrigens schon davon betroffen: Der Privatclub, die Uferhallen, Hochkirchstraße in Schöneberg, die Urban67, das Haus der Gesundheit, der Reuterkiez, und wahrscheinlich viele mehr.

Die Samwers stellen sich selbst als Unternehmer mit besonderem Bewusstsein für soziale Verantwortung dar, zielen aber natürlich nur auf maximalen Profit und wollen möglichst nicht noch mehr schlechte Presse kassieren. Das wird daran ersichtlicj, dass in den Antworten auf Presseanfragen die “Einigung” mit dem Wirt hervorgehoben wird und die Probleme der Mieterinnen geleugnet werden. Sie stellen sich sogar als besonders mieterinnenfreundlich dar und behaupten, sie hätten ein Unterstützungskonto für Mieter*innen in Not eingerichtet! Gleichzeitig verlangt die Hausverwaltung von Waldemar, dass er die Aufschrift der Tafel vor dem Schiller’s abwischt, auf der darüber informiert wird, dass das Schiller’s rausgeworfen wird.

Wichtig ist vor allem, dass sich Widerstand regt und es den Samwer-Brüdern und anderen Investor*innen, die mit Immobilien Rendite machen wollen, im Schillerkiez nicht leicht gemacht wird. Es handelt sich um einen Kiez, in dem die Kämpfe um Gentrifizierung mit besonderer Härte sichtbar werden und in dem eine starke linke Kiezstruktur besteht.

Die Wut ist groß: Viele sind sich einig, dass ein Mietendeckel und eine Gewerbemietpreisbremse nur der Anfang sein kann, dass Wohnraum vergesellschaftet und selbstverwaltet sein müsste.

„Wir wollen unseren Kiez nicht von oben herab aus Hochhäusern in regiert wissen, die Menschen, die hier leben, sollen ihn gestalten!“

Wir, die Schillerini, sind Mieterinnen, Gäste und Nachbarinnen, die sich für das Schiller’s und die Bewohner*innen des Hauses einsetzen. Uns geht es aber um mehr, denn selbst wenn Waldemar tatsächlich ein annehmbares Angebot bekäme, wäre der Kampf noch lange nicht vorbei. Nach ein paar Jahren wäre die Kneipe als Ort verschwunden. Für die Samwers bedeutet das bei einem Ladenraum, der eigentlich erst einmal für 250-300.000 Euro renoviert werden müsste, immer noch einen Riesengewinn, wenn sie einfach so die doppelte Pacht bekommen.

Die SchillerInitiative setzt sich mit #saveschillers für die Bewohner*innen des Hauses Schillerpromenade/Okerstraße und den Erhalt des Schiller’s ein. Aber der Kampf geht darüber hinaus: Wir wollen einen Schillerkiez, in dem bezahlbare Wohnungen und lebenswerte soziale Strukturen erhalten bleiben. Daher solidarisieren wir uns auch mit betroffenem Gewerbe, bestehenden Initiativen und generell mit allen von Verdrängung bedrohten Personen und Orten. Eine Online-Unterschriftensammlung läuft unter openpetition.de/saveschillers.

Geschichte des Hauses:

  1. Das Haus gehörte bis 2015 einem Privateigentümer und dessen Lebensgefährtin. Kurz nach dem Verkauf 2015 haben die meisten Mieter*inne schon eine Mieterhöhung bekommen – trotz Milieuschutz. Wenn die Nettokaltmiete nicht erhöht wurde, waren es die Betriebskosten.
  2. Nach dem Verkauf an die Aramis GmbH war die jährliche Betriebskostenabrechnung plötzlich mehr als doppelt so hoch wie die Jahre davor. Hier haben wir Mieter*innen uns zusammengetan und sind den nicht nachvollziehbaren Erhöhungen auf den Grund gegangen. Die Bitten um Erklärung und Erläuterungen (uns wurde der Einblick in Unterlagen verweigert usw.) waren mühsam, doch am Ende haben die Fakten gesiegt und es blieb ihnen nicht anderes übrig, als den Betrag nach unten zu korrigieren.
  3. Die Betriebskosten sind seit dem Verkauf von insgesamt 27.000 Euro auf 41.000 Euro gestiegen. Aktuell haben die Mieter*innen erneut eine extrem hohe Betriebskostenabrechnung bekommen und wollen diese erneut prüfen.
  4. Nach dem Verkauf wurden die alten Firmen, die für die Reinigung des Treppenhauses und die Grundstückspflege zuständig waren, gegen die Firma Garteck ausgetauscht. Die Firma kostet erheblich mehr als die zuvor beauftragten Firmen und arbeitet wesentlich ungenauer. Der Preis schlägt sich in der jährlichen Betriebskostennachzahlung nieder. Bei Reparaturen wird die Firma Karma beauftragt. Die Hausverwaltung Home Real Estate verfolgt die Kein-Bild-Kein-Ton-Politik.
  5. Aktuell haben die meisten Mieter*innen, die schon vor dem Verkauf hier gewohnt haben, eine Mieterhöhung von 15 Prozent bekommen. Einige haben der Erhöhung widersprochen, andere aus Angst, die Wohnung zu verlieren, unter Vorbehalt bezahlt.
  6. Das Schiller’s, die Eckkneipe des Hauses, die eine Institution im Schillerkiez ist, wurde zu Ende August gekündigt.
  7. In den letzten Monaten sind einige ältere Mieter*innen gestorben und ein paar ausgezogen. Diese Wohnungen werden luxussaniert und extrem teuer weitervermietet, gerne mit Staffelmietverträgen. Um noch mehr Gewinn zu machen, wurde unter anderem eine Terrasse im Erdgeschoss gebaut. Der Platz dafür wurde vom gemeinschaftlichen Innenhof abgezwackt. Aus sicherer Quelle wissen wir, dass Neuvermietungen immer über 15 Euro pro Quadratmeter kosten. Eine 80-Quadratmeter-Wohnung wurde gerade für knapp 1300 Euro kalt vermietet.
  8. Bekannte oder Freundinnen als Nachmieterinnen zu empfehlen ist nicht gewünscht. Es fällt auf, dass Aramis hauptsächlich junge Menschen aus dem Ausland bevorzugt, die nur ein paar Jahre in Berlin sind, viel arbeiten, kein Interesse an einer gut funktionierenden Hausgemeinschaft haben und ihre Rechte nicht kennen. So wird systematisch das Gemeinschaftsgefühl zerstört.
  9. Mieter*innen mit alten Mietverträgen werden systematisch verdrängt, indem Instandhaltungen verweigert werden. Alte, durchlässige Fenster werden nicht repariert, ausgesprochen laute, immer wieder ausfallende Duschen nicht erneuert. Hier lautet das Motto, wie oben erwähnt: Kein Bild, kein Ton! Es gibt einige Fälle im Haus, die berichten, dass sie nie antworten auf Briefe oder Mails mit Mängelbeschwerden bekamen.
  10. Mängel, die zur Gemeinschaftsfläche gehören, wie das Treppenhaus oder ein Kamin auf dem Dach, werden nur oberflächlich, minderwertig und möglichst kostengünstig repariert oder erneuert.
  11. Es herrscht allgemeine Angst. Viele haben Angst, aus ihren Wohnungen zu fliegen, wenn sie sich beschweren und wollen nicht auffallen.
  12. Ganz aktuell: Die Firmenwebseite der Aramis Immobilien GmbH wurde gelöscht

Wer wir sind:

Pressekontakt:
SchillerInitiative
saveschillers@systemli.org
@schillerini

Eigentümer:

Aramis GmbH (gehört zum dubiosen Firmengeflecht der Samwerbrüder)
Türkenstraße 7
80333 München

Hausverwaltung:

Home Real Estate GmbH
Dietzgenstraße 48
13156 Berlin
home-real-estate.de

Herr Bleck:
bleck@home-real-estate.de

Anzahl der Mietparteien im Haus:

Vorderhaus: 18
Seitenflügel: 10
Okerstraße: 15

Bisherige Presseberichterstattung

https://www.tip-berlin.de/samwer-bruder-gegen-den-schillerkiez/ (tip Berlin, 23.08.2019)
https://www.jungewelt.de/artikel/360757.gentrifizierung-in-der-hauptstadt-die-mieten-sindhierteilweise- h%C3%B6her-als-in-berlin-mitte.html (Junge Welt, 14.08.2019)
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1124183.kiezkneipe-schillerrs-waldemar-sollnichtgehenmuessen. html (neues deutschland, 11.08.2019)
https://leute.tagesspiegel.de/neukoelln/macher/2019/08/07/90567/naechste-kneipe-imschillerkiezbedrohtschillers- soll-bereits-am-15-august-schliessen/ (Tagesspiegel Leute, 07.08.2019)
https://www.kuk-nk.de/?p=8448 (Kiez und Kneipe Neukölln, 04.07.2019)