oder Neubau nur für Gutverdiener
Es soll gebaut werden im Norden Neuköllns. Dafür wurden in einer „Wohnbaupotenzialstudie für Berlin-Neukölln“ des Bezirksamtes Neukölln ingesamt 41 Flächen ermittelt, die sich zur Bebauung eignen. Darunter fällt auch das Gelände der ehemaligen Kindl-Brauerei an der Werbellinstrasse, das schon seit langem Objekt vieler , auch gescheiterter, Pläne ist. Nun wurde der Bebauungsplan 8-22ba „Ehemalige Kindl-Brauerei“ am 20.08.2013 durch Rechtsverordnung des Bezirksamtes Neukölln festgesetzt. Unter dem obigen Link sind die Pläne und Begründungen zum Download zu finden.
„Auf den Flächen der ehemaligen Kindl-Brauerei soll – auf der Grundlage des Ergebnisses des städtebaulichen Wettbewerbs sowie des überarbeiteten aktualisierten Masterplans – ein vielfältiges, gemischtes Stadtquartier mit den Funktionen Wohnen, Kultur, Gastronomie, Gesundheitseinrichtungen, Beherbergung und Dienstleistung entstehen.
Der Bebauungsplan sieht daher folgende Nutzungen vor:
Allgemeines Wohngebiet
Mischgebiete
Gewerbegebiet
Sonstiges Sondergebiet „Kultur und Gastronomie“
Sonstiges Sondergebiet „Beherbergung“
Fläche mit besonderem Nutzungszweck „Schank- und Speisewirtschaft“
Zur Sicherung der Erschließung und zur Schaffung eines öffentlichen Stadtplatzes sieht der Bebauungsplan öffentliche und private Verkehrsflächen vor.“
( aus der Begründung, Seite 35 )
Auf dem Gelände des ehemaligen Flohmarktes an der Mainzer Strasse, direkt gegenüber dem Jobcenter Neukölln ist eine „Bebauung mit maximal 6 Vollgeschossen, im inneren Bereich des Baugebiets eine Bebauung mit maximal 5 Vollgeschossen“ vorgesehen.
Ausschnitt des Bebauungsplanes 8-22ba. Beim Klick auf das Bild gibt es eine grössere Version.
Sozialer Wohnungsbau Nein Danke!
Im Rahmen der „Beteiligung der Öffentlichkeit zum Bebauungsplan“ gab es folgende Anregung eines Bürgers:
„In der WA-Fläche sollte ein Anteil von einem Drittel als Fläche für den sozialen Wohnungsbau ausgewiesen werden.“ Dem möchte man aber nicht nachkommen:
„Der Anregung kann nicht gefolgt werden.“ Es handele sich „um private Grundstücksflächen, die geforderte Festsetzung würde einen starken Eingriff in die Eigentumsrechte darstellen,der einer besonderen Begründung und Legitimation – wohl auch über das konkrete Grundstück hinaus – bedarf. Weder aus den Zielstellungen des Bebauungsplans noch aus den Sanierungszielen lassen sich solch schwerwiegende städtebauliche Gründe ableiten, so dass die geforderte Regelung nicht möglich und auch nicht gewollt ist .“( aus der Begründung, Seite 93 )
Dementsprechend geht es auch jetzt voran. Die als Projektentwicker tätige Firma Casada GmbH verkündet seit 26. August auf ihrer Website das neue Projekt „12053 Aufblühendes Neukölln“ :
„Entspanntes Wohnen in Neukölln.
Aufblühen soll die neue Wohnanlage durch die für die Erdgeschosseinheiten geplanten kleinen Garteneinheiten und eine großzügige Begrünung in den Innenhöfen.
Ein besonderes Highlight liegt außerdem in der Ausstattung der Wohnungen: Das so genannte „Feel Good Bad“ soll für erquickende Duscherlebnisse und entspannte Badeabende sorgen. Das Preisniveau des „Aufblühenden Neuköllns“ liegt bei 2.600 bis 3.800 €/qm.“
Gebaut werden sollen 124 Eigentumswohnungen, keine Mietwohnungen.
Nachtrag vom 12.11.2013:
Auf der Website des Architektenbürös Nöfer gibt es weitere Informationen und Bilder der geplanten Bebauung:
Kindl-Residenzen, Berlin-Neukölln
Die Firma Ziegert vermarktet mit „Sozial Sponsoring“ (= moderner Ablasshandel)
Bei solchen Projekten wollen natürlich viele dran verdienen: der Investor, der Projektentwickler, die Baufirma und auch die Ziegert Bank- und Immobilienconsulting , die hier für Vermarktung und Verkauf der Wohnungen zuständig ist. Ziegert ist bekannt für seine teuren bis luxuriösen Neubauten, aber vorallem für seine Tätigkeit als Umwandler von Miet- in Eigentumswohnungen und der darauffolgenden Verdrängung der bisherigen Mieterinnen und Mieter. Die Aktivitäten seiner Firma haben dem Firmenchef Nikolaus Ziegert in den letzten Jahren viel Kritik beschert, von Zeitungsartikeln über Kundgebungen vor dem Büro in der Schlüterstrasse bis hin zu militanten Aktionen gegen seine Immobilienprojekte, sei es mit Farbe, Steinen oder Feuer . Deswegen sah sich der Firmenchef immerhin im August 2012 zu einer öffentlichen Stellungnahmen in der „Immobilienzeitung“ genötigt, in der er sich als sozialer Unternehmer in Abgrenzung zu „unseriösen“ Geschäftemachern darstellte. Deswegen begann Ziegert auch mit „Sozial Sponsoring“: Die Berliner Obdachlosenzeitung „Strassenfeger“ bekam im April 2013 eine „grosszügige“ Spende von 1100 Euro überreicht „Als verantwortungsbewusstes Berliner Wohnungsunternehmen, möchten wir denen helfen, die sich hier keine Wohnung leisten können.“(Strassenfeger vom 15. 4.2013) Ebenso wurde das Gründerzeitmuseum und der Seniorentreff „Herbstlaube“ im Prenzlauer Berg im April mit Spenden bedacht. Nikolaus Ziegert erklärte: „Ein Stadtteil lebt nicht zuletzt von der Durchmischung der Milieus und der Generationen“ (Prenzlauer Berg Nachrichten vom 24.04.2013 ).
Richtig los mit dem „Social Sponsoring“ geht es jetzt mit diesem Neubau auf dem Gelände der ehemaligen Kindl-Brauerei. In Zukunft will das Unternehmen Ziegert „einen stärkeren integrativen Ansatz bei der Entwicklung und dem Vertrieb von Wohnprojekten verfolgen“. So wurden auch extra Mitarbeiter dafür eingestellt und gleich 3 Beschäftigte begaben sich zu der Sitzung der Lenkungsgruppe der [Aktion! Karl-Marx-Straße] am 13. August, um dort die frohe Kunde vom künftigen Geldsegen für Neuköllner Projekte bekannt zu geben. (Die [Aktion! Karl-Marx-Straße] ist zuständig für die Aufwertung der Karl-Marx-Strasse und ihrer Umgebung)
„Frau Mummert (Ziegert Immobilien) erklärt, dass Ziegert-Immobilien 124 Eigentumswohnungen auf dem Kindl-Gelände (zwischen Sudhaus und Mainzer Straße) im Auftrag eines Investors veräußern will. Ziegert Immobilien bieten eine Spende von 400 €/WE und einen noch offenen zusätzlichen freiwilligen Betrag eines Käufers für Initiativen in der Umgebung an. Inhaltlich sei man offen und hoffe auf Ideen aus den Reihen der Lenkungsgruppe. Die Vergabe der Mittel solle durch eine Jury erfolgen und nicht allein durch Ziegert-Immobilien.“
(aus dem Protokoll der Sitzung vom 13.8.2013 ).
400 Euro pro Wohneinheit sind immerhin schon mal 49.600 €, das ist was anderes als die bisherigen Kleckerbeträge für soziale Projekte. Da werden wohl viele Projekte Schlange stehen, die keine staatliche Finanzierung mehr bekommen und die sich gerne kaufen lassen.
Wie dem Protokoll weiter zu entnehmen ist, entbrennt eine Diskussion mit offener Kritik, skeptischen Anmerkungen und Vorschlägen für eine „Sozial-Bindung“ oder „durch eine Quersubventionierung innerhalb des Projekts auch preisgünstige Mietwohnungen zur Verfügung zu stellen“. Aber Frau Mummert( Ziegert-Immobilien) „betont, dass man erst am Beginn der Diskussionen stehe“.
Auf der nächsten Sitzung der Lenkungsgruppe am 10.09.2013 waren Ziegert und der Neubau wieder Thema:
„Bezirksamt, Citymanagement und BSG haben wegen der auf dem ehemaligen Kindl-Gelände entstehenden Miet- und Eigentumswohnungen nochmals mit Frau Mummert und Herrn Boether von der ZIEGERT–Bank- und Immobilienconsulting GmbH gesprochen. Um zu erreichen, dass auch weniger finanzstarke Kaufinterressenten die Möglichkeit habe, Wohneigentum zu erwerben, sollten aus Sicht der [Aktion! Karl-Marx-Straße] die Wohnungen einen einfachen Ausstattungs-standard haben, damit sie als Wohnungen zum Eigenausbau angeboten werden können. Auf diese Weise sollten die Baukosten und entsprechend die Kaufpreise niedrig gehalten werden. Darüber hinaus wünscht die [Aktion! Karl-Marx-Straße] einen hohen Anteil von Selbstnutzern. Vor dem Hintergrund, dass der Begriff „Kindl-Residenzen“ für ein Neubauprojekt nicht in die Stimmung im Gebiet passt, erfolgt der Vertrieb des Projektes auf dem Kindl-Gelände nunmehr unter der Bezeichnung „12053 Aufblühendes Neukölln“. Herr Evertz betont, dass die [Aktion! Karl-Marx-Straße] keine Werbung machen wird für das Projekt.“
(aus dem Protokoll der Sitzung vom 10.9.2013 )
Das zur Bebauung vorgesehene Gelände – im Hintergrund das Jobcenter Neukölln
Derzeit tut sich noch nichts auf dem Gelände. So richtig toll ist die Lage ja auch nicht: das Jobcenter Neukölln Richtung Westen und ein Nieren-Dialyse-Zentrum Richtung Süden. Nicht gerade schöne Anblicke für Gutbetuchte. Schön ist da nur Richtung Osten die Aussicht auf das denkmalgeschützte Ensemble des Sudhauses , wo das KINDL – Zentrum für zeitgenössische Kunst entstehen wird. Mit dieser Nähe zu Kreativ-Kultur und Kunst dürfte Ziegert wohl seine Wohnungen zu vermarkten versuchen.
Immobilienwirtschaft, Kunst und Kultur – Hand in Hand oder, ökonomisch gesprochen, eine Win-Win-Situation. Wir werden sehen, ob es stimmt.
Nachtrag vom 9. Dezember mit weiteren Texten zu diesem Projekt :
4. Dezember 2013: Neuköllner Neubau für Gutverdiener oder Falschinformationen von Ziegert
11. November 2013: Neues vom Aufblühenden Neukölln: jetzt 12053 Ziegert und Investor machen Propaganda für ihr Neubauprojekt auf dem Gelände der ehemaligen Kindl-Brauerei.
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