Auch gegen die Baugruppen und ihre Welt!

Baugruppen sind in Neukölln immer noch ne Plage. Dazu ein aktueller Text, der am 29. März 2023 bei einem Kiezspaziergang im Norden Neuköllns verteilt wurde.

Breit machen sie sich in Neukölln schon lange. Gutbetuchte mit ihren Eigenheimträumen. Doch neben den größeren Projekten mit viel Cohousing Spaß auf 12 m² tragen auch kleinere Projekte ihren Teil zur Aufwertung unserer Kieze bei. Baugruppen.

Aktuell entsteht in der Silbersteinstraße 80 der nächste grünbepflanzte Betonbau mit etwas Holzschnickschnack, dafür wurde ein gemütlicher Altbau abgerissen. In der Juliusstraße 18 haben ein paar hippe Architekten auch schon die nächsten Smoothieschlürfenden um sich geschart. In der Bendastraße 8 ist die Baugruppe schon eingezogen, genau wie in der Donausstraße 2, Kienitzerstraße 3, Bornsdorfer Straße 11, Mittelweg 8 steht kurz vom Abschluss oder so. Die Liste lässt sich fortsetzen.

Silbersteinstr. 80 (Dezember 2020)
Silbersteinstr. 80 nach Abriss vor dem Neubau (April 2023)

Was sind Baugruppen?

Klingt erstmal ganz nett, so’ne Gruppe, und bauen wollen sie auch. Nunja. Eigentumswohnungen. Gebaut und geplant wird meist von Architekturbüros, die dann die Lastenfahrradjünger um sich scharen, zusammengewürfelt gesellt sich Geld zu Geld.

Baugruppen sind Eigentumswohnungen sind Teil der Gentrifizierung und führen zu Aufwertung, damit einhergehenden Mietsteigerungen und Verdrängung.

Der erste Streit steht dann spätestens ins Haus, wenn die Kinderwägen an die Eroller im Flur angeschlossen werden. Doch kein Problem, verkauft werden kann mit sattem Gewinn.

Und warum in (Nord)Neukölln*?

Hier greift unsere Analyse unter Anderem zu kurz, doch wir versuchen es mal:
Neukölln ist ganz schön dich besiedelt (sehen wir mal vom Tempelhofer Feld ab, Wink mit dem Zaunpfahl), hier gibt es häufig nur kleinere Baulücken zwischen den Häusern. Da bieten sich solche Einzelprojekte ganz gut an. Außerdem agiert hier seit einigen Jahren die Grüne als stärkere Kraft, federführend im Baugedöns ist Jochen Biedermann. Das Klientel der Baugruppen sind wohl auch die Leute, mit denen derJochen dann gerne mal ne Limo schlüft. So geht das mit den Bauanträgen auch schneller. Außerdem lassen sich son paar Eigentumswohnungen den Wählerinnen immer noch besser verkaufen als der Karstadtneubau, leerstehende Coworking Spaces und freshe Einkaufszentren auf der Karl-Marx-Straße oder die vielen vielen Kleinstappartments und Büros Eigentumswohnungen den Wählerinnen immer noch besser verkaufen als der Karstadtneubau, leerstehende Coworking Spaces und freshe Einkaufszentren auf der Karl-Marx-Straße oder die vielen vielen Kleinstappartments und Büros für die hippeschicke StartUp Generation. Oder doch nicht?

Baugruppe Mittelweg 8 fast fertig (April 2023)
Baugruppe Donaustr. 2 (Dezember 2022)

Und gibt es Protest?

Gegen die Baugruppen regt sich wenig Widerstand. Das mag verschiedene Gründe haben, doch erstmal ein paar Ansätze: Großflächig haben sie sich vor einigen Jahren in Alt-Treptow breitgemacht, wo sich Anwohnende auch mit verschiedenen Mitteln gewehrt haben: Verdrängung hat viele Gesichter **
Vor einigen Jahren hat sich der Gemeinschaftsgarten Prachttomate notgedrungen mit dem Thema beschäftigt: Ein Teil des Gartens wurde den Eigenheimträumen der Urbansky Architekten geopfert. Ein paar Spitzen wurden gesetzt***, doch nun verschattet der Turm die Prachttomate. Mittlerweile planen alle Baugruppen einen Gemeinschaftsgarten mit ein. Also für sich.

Ansonsten ist es relativ ruhig bei diesem Thema. Das mag an dem etwas komplizierteren Grundgefüge liegen, an leichter zu bepöbelnden Großbauten, an dem schieren Ausmaß der Verdrängung und den mangelnden Kapazitäten.Eine andere Antwort ist allerdings auch, dass viele der Freizeitaktivistinnen der Berliner Mietenbewegung sich bestimmt auch mal die Frage stellen, ob sie nicht irgendwann mal mit ihren Freundinnen zusammenwohnen wollen. Also mit denen, die auch ein wenig Geld beiseite haben. Und da die Mieten teuer sind, könnte ja gemeinsam son Häuschen gebaut werden. SchwupsdiWups, selber Baugruppe. Vielleicht mit nem offenen Raum unten drin. Trotzdem scheiße. Die kämpfenden Gefährt*innen und unbekannten Vögel dieser Stadt bleiben auf der Strecke, denn irgendwann ist ja auch mal gut mit dem Protest.

Baugruppen sind zuverlässiger Teil der Verdrängung in dieser Stadt. Und wenn wir grundlegend in Frage stellen, wie sich diese Stadt und unsere Kieze entwickeln, wie wir wohnen und leben wollen, dann gehören sie auch so behandelt. Die dafür notwendigen Diskussionen müssen geführt werden, ob bei Kiezversammlungen, beim Spaziergang oder vorm Späti. Und die daraus entstehenden Brüche sind begrüßenswert.

Wir wollen kein grünversifftes Berlin mit Lastenradparkplätzen und Holzfassaden am Beton für einige. Wir wollen eine Stadt für alle.

Und falls wir hier Wut schüren, wollen wir euch damit nicht alleine lassen. Wir wollen diese unterschätzte Emotion allerdings auch nicht in irgendwelche Bahnen lenken, Unterschriften sammeln und falsche Hoffnung produzieren. Es geht bergab. Reden wir miteinander, tun wir uns zusammen, und schauen wir wie wir mit einigen blauen Augen ein lebenswertes Leben erkämpfen.

Nachbar*innen

*auch woanders, u.A. gerad in Kreuzberg Johanniter 12, Wedding Soldiner 101, Weißensee
**auch ein damals entstandener empfehlenswerter Dokumentarfilm heißt so
***dazu findet sich was auf prachttomate.de

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Eine Antwort zu Auch gegen die Baugruppen und ihre Welt!

  1. Pingback: Zum Beispiel: Baugruppen – Gemeinschaftsgarten Prachttomate

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