Kein Abriss des Karstadt-Gebäudes am Hermannplatz

Bei der heutigen Mieter*innen-Kundgebung im Schillerkiez wurde ein informativer Redebeitrag zu den Plänen für einen Abriss und Neubau des Karstadt-Gebäudes am Hermannplatz gehalten.
Hier der Text:

Hallo! Unser Arbeitskreis ist ganz neu und ich bin sehr froh, dass wir hier und heute unser Anliegen öffentlich vorstellen können!

DER IMMOBLIENKONZERN SIGNA PLANT ABRISS DES KARSTADT-GEBÄUDES AM HERMANNPLATZ UND NEUBAU EINES MONUMENTALEN GEWERBE-KOMPLEXES

Das Immobilienunternehmen Signa Holding plant, das Karstadt-Gebäude am Hermannplatz abzureißen und eine Rekonstruktion des ursprünglichen Baus aus dem Jahre 1929 wieder aufzubauen. Die Verkaufsfläche von Karstadt soll wesentlich verkleinert, die Gesamtfläche des Gebäudes wesentlich vergrößert werden. Maximal 100.000 m2 sollen vermietet werden – an Büros und Hotel, auch Wohnnutzungen sollen entstehen.

Das Ziel: Der Boden soll maximalen Profit abwerfen, Flächen zu Höchstmietpreisen verwertet werden.

Der Hermannplatz ist stadträumlich ein Bindeglied zwischen Kreuzberg und Neukölln. Das Großprojekt würde von dort aus bis zum Kotti und bis zum S-Bahn-Ring wirken. Denn Signa wird sicherlich hohe Gewerbemieten verlangen, d.h. Gewerbemieten im Umkreis würden ebenfalls drastisch steigen. Ähnliches gilt für den Mietwohnungsmarkt.

Das schon wütende Gewerbesterben und die Verdrängung von Mieter_innen mit geringem Einkommen würde verstärkt werden. Das migrantisch geprägte Kleingewerbe der Kieze ist bedroht.

Die Mietpreise im Norden Neuköllns sind in den letzten 10 Jahren um 146% gestiegen! Artikel Tagesspiegel . Von der sogenannten „Aufwertung“ des öffentlichen Raums, der Umgestaltung von Plätzen und Straßen durch die Bezirksverwaltung, profitieren nicht Neuköllner_innen sondern Eigentümer_innen und Investoren. Dass Bezirksbürgermeister Hikel im Kontext der Signa-Pläne über eine „ungeheure Aufwertung“ Artikel BZ und „Chance“ (siehe Drucksache Nr. 1355/XX, 22.05.2019, Bezirksverordnetenversammlung Neukölln von Berlin) für den Bezirk spricht, ist blanker Hohn für all diejenigen, die schon verdrängt wurden oder von Verdrängung bedroht sind.

„Aufwertung“ bedeutet hier Verdrängung.

Hikel möchte nun die Gelegenheit nutzen, um die Umgestaltungspläne für den Hermannplatz wieder auf die Agenda zu setzen. Gegen eine sinnvolle Verkehrsberuhigung ist nichts einzuwenden, aber für den Bezirksbürgermeister ist der Hermannplatz ein Standortfaktor, für die Bewohner_innen ist es Aufenthaltsort als diverse Gemeinschaft – keine Bewohnergruppe, keine bestehende Nutzung sollte zum Vorteil einer anderen verdrängt werden.

Für uns ist der Hermannplatz städtischer Lebensraum für alle, nicht Standortfaktor. Das Karstadt-Gebäude ist für uns ein Warenhaus mit vielen Angestellten, keine Ware. Und die Bewohner_innen von Kreuzberg und Neukölln sind Menschen, und nicht funktionierende Akteure im autoritären Finanzkapitalismus.

Die Befürworter_innen des Projekts argumentieren, das ursprüngliche Karstadt-Gebäude gäbe dem Ort etwas von seinem „alten Glanz“ zurück. Doch uns interessiert diese Stil- und Geschmacksfrage nicht. Uns interessiert, was das Gebäude mit der Stadt macht. Das Gebäude ist eine gigantische Shopping-Mall, die den städtischen Maßstab an dieser Stelle räumlich und programmatisch sprengt. Das Immobilienunternehmen verfolgt das Ziel der Profitmaximierung auf Kosten der Natur, des Klimas und der Menschen.
Die Zeichnungen von David Chipperfield Architects bilden die jetzigen Bewohner_innen nicht ab. Auftraggeber und Architekt haben eine völlig andere Vision: mehrheitlich junge, weiße, vornehme Menschen tanzen Walzer über den Dächern. Es gibt darin keinen Platz für diejenigen, die heute am Hermannplatz wohnen, arbeiten, verweilen oder einkaufen. Die Bewohner_innen von Kreuzberg und Neukölln werden nicht mitgedacht. Ihre Verdrängung wird in den Bildern wie selbstverständlich prophezeit.
Jeder Neubau – auch solche, die vorgeben „historisch“ zu sein – bedeutet Verdrängung, Verwertung und Ausbeutung.

Besonders bedrohlich wird das Projekt durch die Figur hinter der Signa Holding, den vorbestraften Unternehmer René Benko . Er wird im Ibiza-Video von FPÖ-Chef Strache als einer der illegalen Großspender an die ÖVP und die FPÖ aufgezählt. Kreuzberg und Neukölln sind stark (post)migrantisch geprägt. Im Süden Neuköllns sind Anwohner_innen, Gewerbetreibende und Aktivist_innen einer rechtsextremen Angriffsserie ausgesetzt und die stigmatisierenden Schikane-Razzien der SPD in Nordneuköllner Shisha-Bars verstärken dieses rassistische Klima. Und jetzt auch noch Benko!

Es ist einfach unerträglich, dass ein Unternehmer, der mit illegalen Großspenden an eine rechtsextreme Partei in Verbindung gebracht wird, sich den zentralen Hermannplatz aneignen möchte!

Der Fall Benko steht für die Verstrickung von Unternehmen, Medien und Parteien innerhalb einer globalen, zunehmend autoritären Durchsetzung der Finanzinteressen von Eliten und der Verdrängung von Minderheiten und armen städtischen Haushalten.

DAHER SAGEN WIR: KEIN ABRISS, KEIN GIGANTISCHER NEUBAU, KEINE „AUFWERTUNG“ DES HERMANNPLATZES.

Eine ausführliche Information gibt es hier:
Abriss Karstadt-Gebäude am Hermannplatz – Neubau multifunktionale Shopping-Mall

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