Gute Wohnungen für Alle – Wir lassen uns nicht spalten

Die Bezirksgruppe Neukölln der Berliner MieterGemeinschaft e. V. hat im Januar 2016 eine gute Erklärung verfasst, die wir hier dokumentieren.
Die Krise bei der (menschenwürdigen) Unterbringung der Geflüchteten ist nur eine neue Facette der Berliner Wohnungskrise. Zwei Jahrzehnte neoliberaler Politik haben u. a. dazu geführt, dass für Menschen mit wenig Geld – egal ob alteingesessen oder gerade nach Berlin geflohen – auf dem Wohnungsmarkt kein Platz mehr ist. Nun droht durch die Einrichtung riesiger Massenunterkünfte in „Leichtbauweise“ für Geflüchtete auf Dauer die Etablierung eines „Wohnungsmarktes zweiter Klasse“. Die Alternative wäre, endlich mit einem fortschrittlichen Konzept für einen neuen kommunalen Wohnungsbau zu gewährleisten, dass alle sich Berlin leisten können. Geschieht dies nicht, wird sich die Lage weiter zuspitzen. Schuld daran sind nicht die Mieterinnen und Mieter (geflüchtet oder nicht), sondern allein die politisch Verantwortlichen.
Die wachsenden Probleme auf dem Berliner Wohnungsmarkt sind seit Jahren zu beobachten und wurden genauso lang ignoriert. Neukölln sticht dabei besonders heraus: Hier gab es mehr Eigentümerwechsel als in anderen Bezirken, weil der Altbaubestand und relativ niedrige Mieten einen besonderen Anreiz für nationale und internationale Investoren bieten, um kräftig an der Mietpreisschraube zu drehen. Die SPD-Bezirksregierung begrüßte diese Entwicklung und erhofft sich davon den Zuzug von Gutverdienern bei gleichzeitiger Verdrängung der ärmeren Bevölkerung, die gerne als Verursacher von Problemen betrachtet wird. Wo in anderen Bezirken längst gegen Zweckentfremdung und Ferienwohnungen vorgegangen wurde, passierte in Neukölln rein gar nichts, weder unter Buschkowsky noch unter der neuen Bezirksbürgermeisterin Franziska Giffey.
Mit der rasanten Zunahme der Zahl von Asylsuchenden in Berlin verstärkt sich natürlich die Nachfrage nach Unterkünften und Wohnungen. Dass sie kaum in bestehenden staatlichen Einrichtungen (Notunterkünften) oder im regulären (öffentlichen) Wohnungsbestand unterkommen können, ist Ausdruck der Spar- und Privatisierungspolitik der letzten Jahrzehnte. Soziale Einrichtungen wurden abgebaut und zusammengestrichen; Wohnungsbestände privatisiert. Alle Reserven wurden mehr als ausgeschöpft. Nur deshalb ist die Not, kurzfristig Unterkünfte zu finden, überhaupt so groß.
Im Moment wird vor allem über die vorübergehende Schaffung von „Unterkünften“ (nicht: Wohnungen) diskutiert. Aber wenn sich an der Wohnungspolitik des Senats nichts ändert, werden diese Behelfslösungen (Zelte, Container, Leichtbausiedlungen) über kurz oder lang zum Standard nicht nur für Geflüchtete werden.
Die „Das Boot ist voll“-Logik, mit der nun einige kommen, ist nicht nur unmenschlich, sondern auch naiv. Nicht die Geflüchteten sind Ursache der Probleme auf dem Berliner Wohnungsmarkt, sondern die Weichenstellungen des Berliner Senats und der Bundesregierung. Die Bundesrepublik ist einer der reichsten Staaten der Welt, die Unternehmensgewinne steigen stetig. Allein die ungerechte Verteilung des Reichtums führt zu angeblichen Sparzwängen der öffentlichen Hand. Wer trotzdem Menschen, die vor schrecklichem Krieg und Elend hierher fliehen, für die Misere verantwortlich macht, tritt nach unten, ändert aber nichts. Je schlechter Geflüchtete untergebracht werden, desto mehr senkt sich der Standard allgemein ab. Sind Gemeinschaftsunterkünfte in Leichtbauweise erstmal etabliert, müssen auch alle anderen Finanzschwachen sie fürchten. Lassen sich alte und neue BerlinerInnen gegeneinander ausspielen, haben es am Ende alle schlechter. Deshalb:
Lassen wir uns nicht spalten!
Es wird gebaut werden, so viel steht fest. Die Frage ist nur: Wie und für wen? Wer möchte, dass der Zugang zu einer guten Wohnung nicht nur Gutverdienenden vorbehalten ist, sollte vom Senat fordern:

  • Sofortige Entwicklung eines stadtweiten Neubauprogramms in kommunaler Hand. Nur so können ausreichend gute und günstige Wohnungen entstehen.
  • Was öffentlich finanziert wird, muss dauerhaft öffentliches Eigentum sein: Keine Neuauflage des Subventionsmodells des alten sozialen Wohnungsbaus und der individuellen finanziellen Unterstützung bedürftiger MieterInnen zum Wohle der Immobilienwirtschaft!
  • Keine dauerhafte Unterbringung von Menschen in Gemeinschaftsunterkünften und per Leichtbauweise errichteten Gebäuden.

Bezirksgruppe Neukölln der Berliner MieterGemeinschaft e. V., Januar 2016
Kontakt: www.bmgev.de

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