Deutsche Willkommenskultur?
Refugees Welcome – dieser seit langem in antifaschistischen und antirassistischen Bewegungen verbreitete Slogan wird derzeit auch von den sogenannten „Volksparteien“ SPD und CDU und wirtschaftlichen Unternehmen angeeignet, um sich selbst nach außen hin als weltoffene und wohltätige deutsche Nation zu feiern. Doch bringen jene, die sich da mit diesem Slogan schmücken, Politiker_innen, Parteien und Konzerne, Krieg und Vertreibung erst hervor. Viele der Konflikte resultieren aus kolonialen Grenzziehungen. Grenzen wurden nach den Interessen der Imperialisten gezogen, nachdem diese die sozialen Strukturen dieser Gebiete zerstört hatten. Der Kolonialismus fand seine Fortsetzung in internationalen Bündnissen wie der NATO, der EU und dem IWF. Als Teil dieser neoimperialistischen Institutionen lebt Deutschland weiterhin von der wirtschaftlichen Ausbeutung dieser Gebiete. Um einen kapitalistischen Weltmarkt (d. h. billige Produktionsstätten in Niedriglohnländern und Absatzmärkte für deutsche Produkte) zu schaffen und zu bewahren, beteiligt sich Deutschland an Kriegen. Irak, Jemen, Afghanistan, Palästina, Libyen, Kurdistan, Azawad – überall morden deutsche Soldat_innen, deutsche Waffen und deutsches Geld mit. Überall sät die neokoloniale Ordnung Hass auf „den Westen“. Indem die Herrschenden sich nun als große Wohltäter_innen innerhalb der europäischen Staatengemeinschaft aufspielen, lenken sie ab von diesen Verstrickungen. Der neoliberale Komplex ist verantwortlich für die Zerstörung der Lebensgrundlage jener, die nun gezwungen sind, um Asyl zu bitten.
Geflüchtete werden derzeit vor allem von freiwilligen Helfer_innen und Unterstützer_innen mit offenen Armen empfangen. Der deutsche Staat, der sich die Früchte dieser Hilfsbereitschaft auf seine schwarz-rot-goldene Fahne klebt, um eine moralisch-zivilisatorische Überlegenheit zu behaupten, tut derweil alles, um Geflüchtete fernzuhalten: „Wilkommenskultur“ bedeutet in Lager gebracht, gefiltert, (aus)sortiert, ausgesteuert und abgeschoben zu werden. Geflüchtete werden abgeschottet und wie Kriminelle behandelt. In den ihnen zur Verfügung gestellten Lagern gibt es kaum Raum, die hygienischen Bedingungen sind schlecht. An der Unterstützung der Geflüchteten und an der Vermittlung und Übersetzung von Information ist den Lagerbetreiber_innen nicht gelegen. Nach der am 24. Oktober in Kraft getretenen Asylrechtsverschärfung droht den Neuangekommenen mindestens sechs Monate in Erstaufnahmelagern verharren zu müssen, wo nicht selten über zehn Personen in einem Raum untergebracht sind. Durch die sogenannte „Residenzpflicht“ werden Menschen in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt, die Betroffenen dürfen sich nur innerhalb bestimmter Grenzen aufhalten. Viele bekommen statt dem geringen Bargeld, das das Gesetz vorsieht, Warengutscheine, sodass sie erheblich an der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben gehindert werden. Rund um die Uhr sind die Bewohner_innen staatlicher Repression direkt oder indirekt über private Sicherheitsfirmen ausgesetzt. Willkürliche Schikanen der Lagerbetreiber_innen, beispielsweise wird das Tor oft ab 22 Uhr verschlossen, sind an der Tagesordnung. An diesen Orten sind die Menschen Abschiebungen schutzlos ausgesetzt. Mitten in der Nacht werden sie unvorbereitet und oft unbemerkt gewaltsam an Orte gebracht, wo Folter und Tod auf sie warten. Im streng rationalisierten Lagerregime sind Gewalt und sexualisierte Übergriffe auch von Seiten des Sicherheitspersonals keine Seltenheit, die Notsituation der Bewohner_innen wird hemmungslos ausgenutzt. Selbstständig geflüchtete Frauen, die die Flucht oft genutzt haben, um vor ihren gewalttätigen Ehemännern zu fliehen sowie Frauen, die sich hier von ihren gewalttätigen Ehemännern trennen wollen, werden gezwungen an Orten zu leben, an denen sie patriarchaler Gewalt gleich mehrfach ausgesetzt sind – von Seiten des Staats, der Lagerverwaltung und anderer Lagerbewohner. Die Arbeit in Lagern wiederum wird von Arbeiter_innen geleistet, die selbst in prekären Verhältnissen stehen und von den Betreiber_innen gegen die Geflüchteten ausgespielt werden.
Betreiber_innenmafia
Aus der Notsituation Geflüchteter ziehen private Unternehmer_innen Profit. An dieser sinnlosen Situation bereichern sich Firmen und Privatleute. Die PeWoBe (6 Unterkünfte, 3 000 Menschen insgesamt untergebracht) und die Gierso (11 Unterkünfte, mind. 200 Menschen pro Unterkunft) sind die Big-Player dieser Branche. Diese Firmen erhalten eine Pauschale von 21 € pro Person pro Tag.
Im Falle der Gierso wäre das für eine Unterkunft: 200 Menschen x 21 €/Tag = 4 200 €/Tag!
Gesamtumsatz der PeWoBe: 3 000 Menschen x 21 €/Tag = 63 000 €/Tag
Aufs Jahr hochgerechnet macht das einen Umsatz von 21 924 000 €!
Es kann nicht sein, dass diese skrupellose Geschäftsform durch das LAGeSo weiterhin aufrechterhalten wird, obwohl alle Fakten dagegen sprechen (#Leverkusener Modell).
Es ist an sich skandalös, dass ein Staat es privaten Firmen erlaubt, solche unethischen Geschäfte zu machen. Doch schaffen es die Verantwortlichen nicht einmal, für die Erfüllung der Mindestanforderungen zu sorgen!
Im Falle der PeWoBe wird derzeit gegen ihren Geschäftsführer Helmuth Penz wegen Abrechnungsbetrug ermittelt! Es gibt aber noch mehr Missstände. Es wird der PeWoBe weiterhin vorgeworfen in ihren Unterkünften unzumutbare Zustände zu dulden, um ihren Gewinn zu maximieren. Es wird zu wenig qualifiziertes Personal eingestellt. Es gibt Schimmel in den Unterkünften und teilweise nicht ausreichend Warmwasser. Personalkosten wurden doppelt abgerechnet. Die Hilfe ehrenamtlicher Helferinnen wird für Leistungen in Anspruch genommen, für die die Firma vom Staat bereits bezahlt wurde. Die Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung wird dreist ausgenutzt, beispielsweise für die Betreuung der Geflüchteten und ihrer Kinder. Bei der Vergabe der Aufträge wurde die PeWoBe vom LAGeSo bevorzugt behandelt.
Auch Teile des Flughafen Tempelhof und die Jahn Sporthalle am Columbiadamm werden derzeit als Flüchtlingsunterkünfte genutzt. Auch hier ist ein profitgeiler privater Unternehmer am Werk. Die Tamaja GmbH (ehemals SoWo Berlin) betreibt mittlerweile die Jahn-Sporthalle im Schillerkiez, zwei Hangars im ehemaligen Tempelhofer Flughafengebäude, sie baut eine Unterkunft in der Karl-Marx-Straße in Britz und sie unterhält eine Notunterkunft in der ehemaligen Luise-und-Wilhelm-Teske-Oberschule in Tempelhof-Schöneberg. Der Geschäftsführer Michael Elias ist ehrenamtlichen Helfer_innen gegenüber natürlich sehr aufgeschlossen, weil kostenlose Hilfe den Gewinn maximiert und es ohne Akzeptanz in der „Helfer_innen“-Bewegung auch keine Zukunft für private „Notunterkünfte“ (NUK) im Stil von Lagern gibt.
Es reicht allerdings nicht aus, Korruption und die schlechten Zustände in den Lagern anzuprangern, das Problem liegt im System. Solange einer_m Unternehmer_in die Möglichkeit gegeben wird, über andere zu herrschen und gleichzeitig seine_ihre privaten Gewinninteressen zu verfolgen, wird sie_er das auch ausnutzen. Wir sind keine unabhängigen Ich-AGs, wir hängen voneinander ab. Was wir brauchen ist Selbstorganisation, gemeinschaftlich geschaffene Strukturen statt Egoismus und Wettbewerb. Die Unterbringung von Menschen darf nicht an Gewinnmaximierung gebunden sein!
Der Staat verteufelt Fluchthelfer_innen („Schlepper“) und wirft ihnen Bereicherung an der Situation von Geflüchteten vor, gleichzeitig können sich skrupellosen Geschäftemacher_innen wie Helmuth Penz und seine PeWoBe in diesem Land an der Not anderer legal und mit freundlicher Unterstützung der Behörden bereichern.
Diese Zustände sind nicht Hinnehmbar! Kein Lagerregime in Unternehmer_innenhand! Kein Profit mit Geflüchteten! Keine Unterbringung in Lagern!
Geflüchtete in Wohnungen!
Von Seiten Politiker_innen nahezu aller Parteien und den Medien wird derzeit suggeriert, es wäre gar nicht möglich, die vielen Geflüchteten anders unterzubringen. Würden allerdings in einem der reichsten Länder der Welt endlich die Mittel bereit gestellt, könnte auf Modelle zurückgegriffen werden, die sich bereits bewährt haben.
Seit zirka 13 Jahren praktiziert die Stadt Leverkusen das sogenannte Leverkusener Modell in dem die Geflüchteten statt in Sammelunterkünften in Privatwohnungen untergebracht werden. Dadurch lernen die Geflüchteten schneller die deutsche Sprache, es gibt Solidarisierungseffekte der jeweils lokalen Bevölkerung mit ihnen, da gewesene Vorbehalte werden schnell abgebaut und nach kurzer Zeit werden die Geflüchteten als Bereicherung empfunden. In all den Jahren musste in Leverkusen auch kein_e einzige_r Geflüchtete_r in eine Sammelunterkunft zurück. Dabei wurde z. B. auch von der Wohnungsgesellschaft immer in den einzelnen Gebäuden auf eine gewisse Durchmischung verschiedener „ausländischer“ Nationalitäten und „Deutscher“ geachtet.
Nicht nur Sozial gesehen profitieren alle davon, es ist viel günstiger Geflüchtete in Privatwohnungen unterzubringen, weil bei Wohnheimen für den Bau, die Renovierung und die Instandhaltung sehr viel Geld ausgegeben werden muss. Außerdem profitieren bei Wohnheimen nur die Betreiber_innen, die als Geschäftsleute darauf aus sind Gewinne auf Kosten der Geflüchteten zu erzielen. Um so mehr sie bei Ihnen einsparen, umso größer die Gewinnmargen.
Das große Problem heutzutage in Großstädten ist, dass es generell viel weniger bezahlbaren Wohnraum für alle gibt, die welchen brauchen. Zusammen wohnen kann auch bewirken, dass die Menschen sehen, dass sie die gleichen Probleme und Interessen haben und sich nicht gegeneinander ausspielen lassen. Auch kann der Staat nach dem Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG) jederzeit leerstehende Häuser und Wohnungen beschlagnahmen und sie Geflüchteten und Obdachlosen zur Verfügung stellen. Die Unterbringung in regulären Wohnungen ist günstiger und für unsere Gemeinschaft ein Riesengewinn!
[AG Politischer Widerstand] Weisekiez Initiative
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