Alte Post Neukölln wird hip

Wohnungen für Alle statt 14€/m2 und Startup-Kultur in der Neuköllner „Alten Post“!

Seit September ist es offiziell: In der Alten Post in der Karl-Marx-Straße 141 werden StartUp-Unternehmen einziehen, Co-Working-Räume geschaffen und Wohnungen entstehen, die nicht unter 14€/m2 zu mieten sind. Die Investmentgesellschaft Commodus investiert stolze 50 Mio. €, um das historische Gebäude schon 2018 frisch saniert weiter zu vermieten.

Mit Hinblick auf die Entwicklung des Kiezes war das keine Überraschung. Und so stellen sich Neuköllns Bezirksbürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) und Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung Jochen Biedermann (Grüne) mit den finanzstarken Investor*innen aufs Gruppenbild. Der ganze Wahlkampfquatsch ist ja jetzt auch vorbei und in Neukölln kann es weitergehen, wie bisher: Steigende Mieten und Verdrängung statt sozialer Wohnungsbau, StartUp-Kultur statt für alle zugängliche Räume.

Die Sanierung der Alten Post ist auch Teil der „[Aktion! Karl-Marx-Straße]“ – ein Erneuerungsprogramm für den Bezirk, in dem die Karl-Marx-Straße erklärtes Sanierungsgebiet ist. In diesem Gebiet bekommen z.B. Hausbesitzer*innen staatliche Fördergelder, damit der Stadtteil „schöner“ und „moderner“ wirkt. Einige Fassaden der Karl-Marx-Straße sind bereits saniert, die ersten alten Läden raus und auch die eine oder andere Zwangsräumung wurde schon bekannt. Bald ist auch mit dem Schnäppchencenter ein paar Meter weiter in der Karl-Marx-Straße 101 Schluss. 2019 wird dann ein weiterer komplett sanierter Bau mit teuren Geschäften, Büros und Gastronomie eröffnen. Genau das, was Neukölln braucht? Nein.

Für viele von uns bringt das Sanierungsgebiet eine Vielzahl an Problemen mit sich – der Bezirk soll und wird sich verändern und wir sind da nicht mit eingeplant. Vom „positiven Wandel“ weg vom „Problembezirk“-Image ist bei der Neugestaltung oft die Rede. Auch dass das zukünftige Angebot der Karl-Marx-Straße sich besser an die neue, wohlhabenere Bevölkerung anpassen soll. Von den Problemen der jetzigen Anwohner*innen ist keine Rede. Aktuell ist im Kiez unter 10€/m2 kalt keine Wohnung mehr zu finden. Erst recht für ALGII-Bezieher*innen heißt das: Wir sollen weg aus Neukölln. Hunderte Geflüchtete müssen es schon für alle ausprobieren: Sie sollen in eingezäunten Containerdörfern und für alle sichtbar auf dem Tempelhofer Feld wohnen.

Ein Blick in die jüngere Geschichte: Im November 2015 gab es eine kurzzeitige (symbolische) Besetzung der Alten Post von Leuten, die dem leerstehenden Gebäude Leben einhauchen wollten; mit dem Ziel, einen Ort zu schaffen, der für alle zugänglich sein kann und gemeinsam genutzt wird. Die Besetzung wurde nach wenigen Stunden gewaltsam von der Polizei geräumt. Es zählen also nicht gute Ideen, sondern nur Geld, um den Bezirk mitzugestalten. Statt öffentlicher Orte, an denen man kein Geld ausgeben muss, entstehen wöchentlich sich ähnelnde Bars, Tattooläden, Co-Working-Räume, neue Shoppingcenter und StartUp-Buden.

StartUp-Buden sind jene neuen Unternehmen, die Bezirk und Senat so abfeiern. Für uns bedeuten sie: prekäre Neugründungen. Dort, wo jemand für einen Vollzeitjob bei Zalando 1600 Euro brutto verdient. Dort, wo Klickarbeiter*innen keine festen Löhne mehr haben. Dort, wo es zur Arbeitskultur gehört, jeden Tag und jede Stunde total verfügbar zu sein. Und da, wo es so gut wie keine Mitbestimmung, Betriebsräte und Organisierung gibt. Auch gegen diese Arbeitskultur wehren wir uns. Und das richtet sich natürlich nicht gegen die Arbeitenden, sondern gegen die Gründer und ihre Investoren. Womit wir wieder bei der Alten Post wären.

Noch hängt nur ein unauffälliges Schild über der Tür zur Alten Post, das für den dortigen Neuanfang steht. Statt millionenschwerer Investionen für Besserverdienende, fordern wir: günstige Wohnungen und solidarische Kiezläden für die Alte Post in der Karl-Marx-Straße!

Solidarische Aktion Neukölln, Oktober 2017
Website: Solidarische Aktion Neukölln
Kontakt: solidarische-aktion@riseup.net

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