Protest lohnt sich – Beispiel Leinestrasse

Beim gestrigen Kiezspaziergang im Schillerkiez beteiligten sich teilweise bis zu 70 Menschen. Es ging vorbei an Orten der geplanten Verdrängung von Bewohnern durch teure Modernisierungen, unterlassene Instandsetzungen, Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungens und entsprechende Eigenbedarfskündigungen. Darüber berichtet auch ein heute erschienener Artikel der Berliner Morgenpost Mieter im Schillerkiez wehren sich gegen Verdrängung den wir zur Lektüre empfehlen. Leider war die Reporterin nur die erste Hälfte des Rundganges anwesend, sodass sie nicht über erfolgreichen Protest in der Leinestrasse berichten konnte. Im Haus Leinestr. 6 konnte durch gute Öffentlichtkeitsarbeit der Solidarische Aktion Neukölln eine Eigenbedarfskündigung verhindert werden. Dazu gab es vor dem Haus eine Redebeitrag, der hier dokumentiert wird.

Wir stehen hier vor der Leinestraße 6.

Hier wohnt Anna. Seit mehr als acht Jahren. Wenn es nach der Eigentümerin des Hauses gegangen wäre, dann wäre Anna jetzt wohnungslos:

Kurz nachdem Anna 2017 eine freche Mieterhöhung abgelehnt hat, landete eine Kündigung in ihrem Briefkasten: Die Eigentümerin, Gabriele Wenzelewski, kam ‚plötzlich‘ mit ‚Eigenbedarf‘ um die Ecke.

Die liebe Gabi ist Anwältin mit schicker Kanzlei in Mitte, trautem Eigenheim im Grünen und im Besitz mehrerer Immobilien in Neukölln, Lichtenberg, Grünau, Prenzlauer Berg und an der Ostsee. Sie gab an, sie brauche eine Zweitwohnung in Neukölln. Denn ihr Arbeitsweg sei ihr zu weit. Unter der Woche wolle sie nun mit ihrem Ehemann, von Beruf Immobilienmakler, in der Leinestraße 6 wohnen.

Dass Annas Wohnung kein Badezimmer und kein fließendes Warmwasser hat, störe das Ehepaar, beide Ende fünfzig, nicht. Man brauche unbedingt Annas billige Wohnung, da man Angst vor Altersarmut habe und entsprechend auf eine möglichst günstige Zweitwohnung angewiesen sei, so die Eigentümerin.

Diese unglaubwürdige Story der Eigentümerin ist ein Beispiel des alltäglichen Mietenwahnsinns, nicht nur im Schillerkiez. Vorgetäuschter Eigenbedarf ist ein riesiges Scheunentor im Mietrecht. Es ist gängige Praxis von Vermieter*innen, auf diese Weise Wohnungen zu entmieten.

Auch das Amtsgericht Neukölln fand die Geschichte der Eigentümerin glaubwürdig. Aber Annas Fall zeigt, dass es sich lohnt zu kämpfen, sich zusammen zu schließen und zurück zu stressen!
Anna hat sich Unterstützung geholt: In ihrem Haus, in der Straße und im Kiez, bei der solidarischen Aktion Neukölln.

Und sie ist vor das Landgericht gezogen. Zusammen mit 60 solidarischen Nachbar*innen lauschte sie ein zweites Mal der unglaubwürdigen Zeugenaussage des Ehemanns der Eigentümerin.
Anfang November letzten Jahres kam das Urteil: Räumungsklage abgewiesen. Revision nicht zugelassen. Anna darf bleiben. Nix mit Eigenbedarf.

Und was gibt’s mittlerweile Neues von Eigentümerin Gabi? Im Hinterhaus der Leinestraße 6 hat sie eine seit einem Jahr leerstehende Wohnung schick sanieren lassen. Statt wie vorher knapp 7 Euro, wurde sie Mitte März für 12 Euro pro Quadratmeter online angeboten. Das finden wir besonders frech:
Denn vor Gericht hatte die Eigentümerin ihr soziales Engagement breitgetreten und betont, diese Wohnung sei bereits der Familie ihres syrischen Schützlings versprochen. Auch deshalb sei sie auf Annas Wohnung angewiesen.

Und ansonsten? Vor zwei Wochen hat die solidarische Aktion Neukölln mit Bewohner*innen des Hauses gesprochen. Und siehe da: Die Hausverwaltung ist seit dem Gerichtsurteil auffällig nett. Aber niemand traut der Idylle. Alle bleiben wachsam. Sollten Gabi oder ihr Geschäftspartner ‚Herr Lohse‘ nochmal anfangen jemanden im Haus zu stressen ist klar, dass alle gemeinsam zurück stressen.

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Es gibt inzwischen eine Initiative von Menschen, die von ähnlichen Kündigungen betroffen sind: Eigenbedarf kennt keine Kündigung!
Sie organisiert eine Infoveranstaltung am kommenden Mittwoch, den 3. April, 19 Uhr im „Aquarium“, Skalitzer Str. 6.

Weitere Informationen hier: Eigenbedarf kennt keine Kündigung am 3.4.19

Nachtrag:

Ein weiterer Bericht zum Kiezspaziergang auf der Website „Der Wahlberliner“:
Impressionen vom Sontagsspaziergang im Schillerkiez

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