Etwa 500 Menschen beteiligten sich trotz miesen Wetters an der Kiezdemo am 19. 11. quer durch den Neuköllner Norden. Bei der Auftaktkundgebung am Herrfurthplatz wurde ein Beitrag zur Entwicklung im Schillerkiez und speziell zu dem Haus Weisestr. 47 verlesen, den wir hier dokumentieren.
Redebeitrag auf der heutigen Demo
Zur Situation im Schillerkiez
von stadtpolitisch aktiven Menschen aus dem Stadtteilladen lunte
Seit der Öffnung des Tempelhofer Feldes vor 6 Jahren haben sich die Wohn- und Lebensverhältnisse vor allem für die Bewohner mit geringem Einkommen rasant verändert. Die Immobilienwirtschaft hat hier gleich den Profit gerochen und zugeschlagen. Die Angebotsmieten sind in den 6 Jahren um 90% angestiegen. Die Bewohnerinnenzahl hat sich um fast 2000 erhöht.
Die Firma Tarsap z.B. hat Häuser billig aufgekauft und in Eingentumswohnungen umgewandelt und treibt das jetzt auch aktiv im Bezirk Schöneberg.
Ziegert, eine Bank- und Immobilienconsulting hat ihre Hausentmietung zugunsten von Eigentumswohnungen zum Glück nur an einem Haus durchexerzieren können, ist aber fleißig mit dem Bau von Luxuswohnungen profitträchtig beschäftigt.
Die Immobiliengruppe Jakob Mähren hat ihre gekauften Häuser schnell wieder weiterverkauft, als absehbar war, dass der kommende Milieuschutz ihr Geschäftsmodell untauglich macht.
Ihr Unwesen treibt nun neuerdings die Immobilienfirma Akelius, die längerfristig orientiert ist. Sie lässt Häuser und Wohnungen billig aufmotzen und verlangt dann Wuchermieten von 15 bis 20 € kalt pro qm.
Die Immobiliengruppe ado will trotzt Milieuschutz Wohnungen in Eigentum umwandeln. Dazu nutzen sie ein Schlupfloch, das die Umwandlung zulässt, wenn die Wohnungen in den nächsten 7 Jahren nur an die derzeitigen Mieter verkauft werden.
Andere Eigentümer wollen Knete machen mit Aufzugseinbau oder Balkonanbau.
Migrantische Menschen aus den östlich von hier liegenden Ländern werden verdrängt oder müssen sich zu mehreren in kleine Wohnungen drängen, um überhaupt ein Dach über dem Kopf zu haben.Sie bleiben fast unsichtbar.
Hingegen hat sich das öffentliche Strassenbild geändert, wird inzwischen dominiert von hippen Menschen ,sie bevölkern die zahlreichen Cafes, Fress- und andere Läden und die Grünstreifen auf dem Herrfurthplatz. Wir bezeichnen den Straßenabschnitt zwischen Hermannstr und Oderstr., also die Rennstrecke zum Feld, als die Fressgasse.
Mieterinnen wehren sich von Anfang an gegen ihre Verdrängung. Sie schließen sich zusammen, organisieren Hausversammlungen und machen Besuche und Eingaben beim Bezirksamt. Andere wollen aus Angst vor der Kündigung nicht an die Öffentlichkeit, verständlich, denn wo sollen sie bezahlbaren Wohnraum finden in dieser vom Kapital überfluteten Stadt?
Weise47 übernehmen!
Ein exemplarisches Beispiel von Leerstand und Wohnraumvernichtung ist die Weisestr. 47. Über 10 Jahre hinweg waren nur zwei Wohnungen im Hinterhaus bewohnt, seit März letzten Jahres gar keine mehr. Dagegen wird seit Jahren protestiert mit Flyeraktionen, Kundgebungen Scheinbesetzungen usw. Am 28. April 2012 gab es eine Hausbesetzung , die von der Polizei brutal beendet wurde. Zweckentfremdungsverbot, Anfragen in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Neukölln, keine Chance, ist ja Eigentum, höchstes Gut in Deutschland. Damit kannste machen was de willst, z.B .eben auch vor den Augen tausender Wohnungssuchender verotten lassen. Im September/Oktober 2015 wurde das Haus dann komplett unbewohnbar gemacht. Alle Innentüren , Kücheneinrichtungen und sanitäre Anlagen wurden herausgerissen, um einer möglichen Beschlagnahmung für Flüchtlinge vorzubeugen. Seit Anfang September diesen Jahres gibt es Sanierungsarbeiten, komplette Einrüstung des Hauses , Baukran im Hof, Abriss der Dächer. Angekündigt ist eine energieeffiziente Sanierung von Vorder- und Hinterhaus mit 35 Mietwohnungen . Der Eigentümer ist die Henning Conle GmbH & Co. KG, vertreten durch die Westfalia Immobilienverwaltung GmbH. Im Jahre 2014 wurde bekannt, dass Conle sich für 2 Milliarden englische Pfund mit seiner in Liechtenstein registrierten Gesellschaft Sirosa Luxusimmobilien in London zusammengekauft hat . Er betreibt mit seinen Kindern ein undurchschaubares Geflecht von Firmen, die wahren Geldgeber sind unbekannt. Inzwischen ist Conle von London nach Zürich in die Schweiz gezogen und lebt dort in einem herrschaftlichen Anwesen am Zürichsee. In der Liste der 300 reichsten Schweizer des Jahres 2015 steht er auf dem 128. Platz mit einem Vermögen von 1250 Millionen Schweizer Franken. Ein hoch angesehener schützenswerter und kapitalträchtiger Bürger !
Wir finden es gut, dass das Haus Weisestr. 47 saniert und bewohnbar gemacht wird. Denn viele Menschen in dieser Stadt brauchen Wohnungen, vor allem gering Verdienende, Wohnungslose und Geflüchtete. Für Conle ist dieses Haus ein Peanut, er braucht es nicht und kann es abgeben. Deshalb machen wir den durch nichts zu übertreffenden attraktiven Vorschlag, sein Haus nach vollendeter Sanierung diesen Menschen zur Verfügung zu stellen. Conle kann das freiwillig machen, er kann enteignet werden, das Haus kann von einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft gekauft werden , völlig egal, entscheidend ist , dass das Haus Weisestr. 47 in die Hände derer kommt, die es brauchen.
Die Reichen führen einen Krieg gegen die Armen (so die Aussage von Warren Buffet 2008) und wollen die soziale Frage militärisch lösen. Wir stellen das Eigentum in Frage und wollen uns nicht wie die Lämmer zur Schlachtbank führen lassen und auch nicht zu ihren Hofschranzen verkommen sondern uns gegen ihre Zumutungen wehren . Solidarität ist eine Waffe!!
Raus aus den Wohlfühlnischen , rein ins reale Leben!
Menschen, die eine Wohnung brauchen , die sich einen Kampf um die Weise47, wie auch immer, vorstellen können, sind herzlich eingeladen zu einem Treffen am kommenden Dienstag 17 Uhr im Stadtteilladen Lunte in der Weisestr. 53 .
Dabei gilt :
Es rettet uns kein höh’res Wesen,
kein Gott, kein Kaiser noch Tribun
Uns aus dem Elend zu erlösen
können wir nur selber tun!
Nachtrag vom 26.11.2016
Berichte zur Demo
Kiezladen Friedel54 Bericht über die Demonstration vom 19.11.2016
RadioAktiv Berlin Bericht von Kiezdemo gegen Verdrängung
neues deutschland, 21.11.2016 Miete verweigern, Kündigung ins Klo