Recht auf Wohnen garantieren — Leerstand beschlagnahmen

Eine Erklärung vom Bündnis „Gemeinsam gegen Verdrängung und #Mietenwahnsinn“
Update vom 7.10.2020:
mit dem aktualisierten Text und einer Einladung zur Pressekonferenz.

hiermit laden wir Sie/ Euch ein unserer Pressekonferenz anlässlich der bevorstehenden Zwangsräumung des Hausprojekts „Liebig 34“ beizuwohnen.
Diese wird auf offener Straße am Donnerstag, 08. Oktober um 11 Uhr Auf der Höhe Liebigstraße Nr. 9 –10 am südlichen Ende der „roten Zone“ stattfinden.
Folgenden offenen Brief haben wir an alle Abgeordneten des Berliner Abgeordnetenhauses, sowie an mietenpolitisch aktive Initiativen versandt. Wir würden uns über dessen Verbreitung sehr freuen.
Mit freundlichen Grüßen,
Kim Meyer für das Bündnis gegen Verdrängung und #Mietenwahnsinn
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Offener Brief: Recht auf Wohnen garantieren – Leerstand beschlagnahmen
Jedes Jahr werden ca. 5.000 Zwangsräumungen in Berlin vollzogen.
Manchmal gibt es Protest. Die meisten geschehen aber so still und leise, dass es nicht einmal die Nachbar:inne mitbekommen. Für die Betroffenen endet diese brutalste Form der Verdrängung häufig in der Wohnungslosigkeit oder Obdachlosigkeit. Günstigen Wohnraum finden die wenigsten danach.
Am 09. Oktober wird dies anders sein. Das anarchistische, queer-feministische Hausprojekt in der Liebigstr. 34 in Berlin-Friedrichshain mit 40 Bewohner:innen, einem Veranstaltungsraum und einem Infoladen soll geräumt werden. Nur zum Vergleich, selbst das Modellprojekt des Senats gegen Wohnungslosigkeit „Housing First“ will innerhalb von 3 Jahren nur 40 Menschen unterbringen.
Ein Großaufgebot der Polizei wird vermutlich den Kiez in den Ausnahmezustand versetzen und viele Anwohner:innen in ihrem Alltag stören. Ein ähnliches Szenario bot sich vor Kurzem den entnervten Bewohner:innen im Neuköllner Schillerkiez bei der Räumung der Kneipe Syndikat.
Der ganze Einsatz soll aber nicht als krasser Angriff auf die Interessen der Berliner Mieter:innen gesehen werden, sondern wird als ein Beispiel für rot-rot-grüne Sicherheitspolitik verkauft. Denn seit Jahren werden im Friedrichshainer Nordkiez in einen sogenannten „Gefahrengebiet“ grundlegende Bürgerrechte außer Kraft gesetzt, begleitet von einer entsprechenden Medienkampagne.Das Einrichten der sogenannten „roten Zone“ setzt dem ganzen die Krone auf. Weder Demonstrations- noch Bewegungsfreiheit sollen
hier ihren Platz finden. Die Schließung einer Grundschule und einem halben Dutzend Kitas werden ebenfalls in Kauf genommen.
Auch wir fühlen uns unsicher, aber nicht wegen militanter politischen Aktionen in einem kleinen Kiez, sondern wegen des alltäglichen Mietenwahnsinns in ganz Berlin. Auch dieses Jahr wird der Wohnungsnotstand nicht behoben. Neuvermietungspreise steigen weiter, Wohnungen werden in Eigentum umgewandelt und Mieter:innen werden wegen Eigenbedarfs aus ihren 4-Wänden geklagt.
Einer der treibenden Akteure ist der Immobilienspekulant Padovicz. Ihm gehört nicht nur die Liebig 34, sondern insgesamt mehrere tausend Wohnungen in ganz Berlin. Darunter sind auch die (weitestgehend) leer stehenden Objekte in der Hauptstraße 1 in Lichtenberg, der Kröllstraße 12 in Alt-Treptow und der Weidenweg 63 in Friedrichshain. Nun soll die Liebigstraße 34 diesen beeindruckenden Leerstand ergänzen.
Es ist kein Zufall, dass in einer Stadt mit chronischer Wohnungsnot 40 Mieter:innen aus ihrem Wohnhaus geräumt werden, während der Konzern des Milliardärs ganze Häuser leer stehen lässt. Ganz offenbar ist dies die Logik des Marktes. Eine Logik, der wir uns nicht fügen sollten. Stattdessen
fordern wir eine lösungsorientierte Politik, die sich nicht zum Spielball von Investoreninteressen macht.
Hinzu kommt, dass die Infektionszahlen an COVID-19 Erkrankten rasant steigen, die kalte Jahreszeit hat begonnen und sowohl Kältehilfe als auch Notunterkünfte für Wohnungs- und Obdachlose sind auf die Pandemie längst nicht ausreichend vorbereitet. Im April 2020 hat diese Erkenntnis zu einer
generellen Aussetzung aller Zwangsräumungen geführt. Nun verkündet der Senat stolz, dass lediglich landeseigene Unternehmen keine Zwangsräumungen mehr durchführen. Von solchen PR-Gags haben wir genug.
Wir fordern den Berliner Senat auf das Menschenrecht auf Wohnen zu garantieren und damit der Berliner Verfassung Geltung zu verschaffen. Wir erinnern daran, dass diese Rechte universell sind, sie gelten auch für Anarchist:innen und radikale Feminist:innen. Die Zwangsräumung der Liebig34 und alle weiteren Zwangsräumungen müssen ausgesetzt und abgeschafft werden. Stattdessen muss der Leerstand beschlagnahmt und wieder vermietet werden.
Das Berliner Bündnis gegen Verdrängung und #Mietenwahnsinn ruft alle Gruppen und Initiativen auf gegen Leerstand, Zwangsräumungen und Eigenbedarfskündigungen aktiv zu werden.Wir wollen gemeinsam mit allen Mieter:innen dieser Stadt daran arbeiten, dass soziale Brandstifter wie Padovicz endlich enteignet werden. Wohnraum darf keine Ware bleiben.
Unterzeichnet von:
Berliner Bündnis gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn
Bizim Kiez
Initiativenforum – Stadtpolitik Berlin
Berliner Mietergemeinschaft
Wir bleiben alle – Friedrichshain
Akelius Mieter:innenvernetzung
Mietenini Weissensee
Kiezpalaver Schöneberg
Bündnis Zwangsräumung verhindern
Friedel54 im Exil
Kunstblock
Eigenbedarf kennt keine Kündigung
Sozialforum Alt-Treptow
Kollektivkneipe Syndikat
Amma 65
Kiezmiezen
Kiezversammlung 44
BfuM

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