Angesichts bevorstehender Polizeiaktionen gegen das Hausprojekt Rigaer 94 in Friedrichshain haben Nachbar*innen eine Solidaritätserklärung verfasst:
Wir sind Nachbarinnen des Hausprojekts Rigaer 94. Wir wohnen in diesem Kiez unterschiedlich lange. Einige von uns sind hier groß geworden, andere wohnen hier seit 30 Jahren, wieder andere sind vor 6 Jahren hergezogen und weitere wohnen in umliegenden Bezirken. Wir alle verbinden mit den anliegenden Projekten des Dorfplatz ein lebendiges, vielfältiges, lebenswertes Wohnumfeld in Berlin. Wir sind erschüttert über die unaufhörliche Welle der staatlichen Repression. In den letzten Monaten ist viel passiert im Kiez: Maria B. wurde in ihrer eigenen Wohnung von Polizistinnen ermordet. Das Ermittlungsverfahren gegen die Täter*innen wurde drei Wochen später eingestellt.
Das anarcha-queer-feministische Hausprojekt Liebig 34 wurde unter massiver Polizeigewalt
geräumt. Im Vorfeld sowie danach wurden andauernde grundlose Polizeikontrollen der Anwohnerinnen durchgeführt, dabei Taschen durchsucht, polizeiliche Maßnahmen wegen bemalten Pappkartons ergriffen und Bußgelder angedroht, wegen Sitzens auf der Straße oder Anstehen vor dem Späti mit Protestschildern in der Hand. Unfassbar viel Repression erlitten Supporterinnen in der Nacht vor der Räumung. Zudem wurden vor Kurzem in der wahrscheinlich kältesten Woche des Jahres eiskalt wohnungslose Menschen aus ihrem lange bestehenden Camp an der Rummelsburger Bucht geräumt. Dies geschah ohne Vorankündigung, ohne Dolmetscher*innen, mitten in einer -15 °C kalten Nacht und mit der Auflage nur das Nötigste mitnehmen zu dürfen.
Weitere Ankündigungen zu Räumungsandrohungen stehen bevor, so z. B. in der Rummelsburger Bucht für ein weiteres Haus in der in der Hauptstr., dem Wagenplatz Mollies und dem Klub. Ganz unmittelbar sind weitere Nachbarinnen in der Rigaer Straße vom Rauswurf bedroht, nämlich die Bewohnerinnen und Nutzerinnen des Hausprojekts 94. In der nächsten Woche soll mit Vorwand des Brandschutzes eine Besichtigung des Hauses erzwungen werden. Im Sommer fand bereits ein Gutachten statt, woraufhin sämtliche Mängel behoben wurden. Obwohl das Haus Bereitschaft signalisiert hat, den Brandschutz erneut überprüfen zu lassen und somit einen Brandschutzgutachter*in Willkommen zu heißen, wird mit einem großen Polizeiaufgebot gedroht, welche gemeinsam mit der begutachtenden Person das Haus betreten solle. Zusätzlich werden mehrere Straßen rund um die R94 mit Halteverbotsschildern für den Zeitraum 10-13.3. ausgestattet.
Uns erinnert das sehr stark an die rote Zone, die als Polizeitaktik bei Hausräumungen gilt. Wozu dieser Aufriss, wenn es doch „nur“ um die Brandschutzprüfung geht? Es ist haarspalterisch, dass hier der Brandschutz, der laut Verordnungen unserem Schutz dienen soll, als Vorwand genommen wird, um mit Staatsgewalt u. a. in Form von Polizei das Interesse eines Investors durchzusetzen.Mal wieder ist es der Eigentümer, dessen Kapital/ Profitgier geschützt wird und nicht das Recht auf Wohnen.
Die Kontinuität, mit der in Berlin Räumungen, Entmietungen, Mieterinnen-Schikane durchgeboxt werden, ist eine radikale Form der Gentrifizierung und muss aufhören. Ihr(R2G) nehmt uns Schutzräume für FLINTA, Wohnraum, Küfas (Küche für alle), Kiezkneipen, Probe-, Sport- und Veranstaltungsorte, ohne auch nur ansatzweise die Auswirkungen auf die sozialen Strukturen in unseren Kiezen und der Stadt Berlin zu berücksichtigen oder noch schlimmer ihr nehmt den Ausverkauf der Kiezstrukturen sowie Verdrängung von zig Menschen in Kauf.
Mit der Liebig 34 wurden bereits sehr wichtige Rückzugsorte für FLINTA* geräumt. Sie füllten eine Leerstelle in einem kapitalistischen, patriarchalen, diskriminierenden und rassistischen System. Auch die R94 steht als buntes Haus für Freiheit derer, die in einer diskriminierenden Struktur/ Stadt der Reichen keinen Platz haben sollen. Die R94 ist Teil eines alternativen Berlins. Zu wichtigen Instanzen zählt die Küche für alle ein Konzept, indem jeder Mensch eine warme Mahlzeit bekommt, all dies auf Spendenbasis oder kostenlos. Zudem bietet die Kadterschmiede Veranstaltungsräume, offene Treffpunkte, die wir gern besuchen. Des Weiteren bietet die Keimzelle einen Ort für Jugendliche, um sich zu treffen, zu organisieren und Freiräume zu gestalten. Da auch das seit 41 Jahren bestehende Jugendzentrum „Potse“ akut räumungsbedroht ist, dürfen wir nicht aufhören, für solche Freiräume zu kämpfen. Gerade in Friedrichshain sind jene Freiräume für Jung und Alt im großen Stil eingestampft worden. Daher ist es unbedingt notwendig, die R94 in ihrer mannigfaltigen Präsenz zu unterstützen. Die Rigaer 94 ist sowie alle weiteren Projekte ein Knotenpunkt der Nachbarinnenschaft, welcher Anwohnerinnen vernetzt zusammenbringt und mit Veranstaltungen und Einrichtungen wie Kadterschmiede und Keimzelle für ein kulturelles Angebot sorgt.
Uns reicht es schon lange! Wir sind alle von diesem grotesken Vorgehen gegen die R94 betroffen, als Anwohnerinnen und Nachbarinnen in Friedrichshain und ganz Berlin, nicht nur als Hausprojekt. Wir haben in der Vergangenheit auf unterschiedlichsten Wegen gezeigt, wie wichtig uns als Nachbar*innen alle Hausprojekte sind. Und wir werden nicht müde, auch weiterhin laut unseren Protest gegen Gentrifizierung zum Ausdruck zu bringen.
Lasst die Finger von der R94!
Keine Räumungsversuche mehr!
Akzeptiert einen unabhängigen Brandschutzprüferin! Weg mit Spekulantinnen und Immobilienhaien aus unseren Kiezen!
Weg mit der Bullenrepression aus unseren Kiezen! Schluss mit den
Gefahrengebieten! Ihr wart noch nie „Freund und Helfer“!
Keine weiteren Polizeigewaltexzesse und Kriminalisierung!
Schluss mit dem rassistischen, sexistischen und klassistischen Profiling!
Wir wollen eine Stadt von unten! Unseren Kiez mit unseren Nachbar*innen!
Herzlichste und solidarische Grüße von den Nachbar*innen der Rigaer 94
Erklärung der Rigaer94 zur Situation:
Rigaer94: Was kostet die Drecksbude eigentlich?
Solikundgebung für die bedrohte #Rigaer94 am 10.3. um 16 Uhr Potsdamer Platz 8