Alle reden von Clans , von den Zuständen am neuen Neuköllner Sozialamt will niemand was wissen. Deshalb hier ein Bericht von Betroffenenn der bereits auf dem Blog der „solidarischen Aktion Neukölln“ erschien:
Anlässlich der gestrigen Vorführung der ZDF-Dokumentation Wem gehört Neukölln mit anschließender Diskussion mit Bürgermeister Martin Hikel und Gästen
Anlässlich der gestrigen Vorführung der ZDF-Dokumentation Wem gehört Neukölln mit anschließender Diskussion mit Bürgermeister Martin Hikel und Gästen.
Von: Solidarische Aktion Neukölln 13. November 2019
Wir wehren uns hier gegen das Bild, dass von Neukölln gezeichnet wird.
Im dem von Bezirksbürgermeister Hickel geführten Diskurs, der v.a die arabischen Clans die sich in Shishabars treffen, als Probleme in den Mittelpunkt stellt, schwingt mit, dass Migrant:innen das Problem sind. Aber Migrant:innen sind hier in Neukölln nicht das Problem, sondern Ämter und Politiker. Wir wohnen gern in einem Stadtbezirk, in dem Menschen aus mehr als 150 Ländern leben.
Wir, einige Betroffene und Unterstützer:innen von der Solidarischen Aktion Neukölln, besuchten im Juni 2018 den Sozialstadtrat Jochen Biedermann, um auf die miesen Zustände im Sozialamt Neukölln hinzuweisen. Auch viele Migrant:innen müssen zum Sozialamt. Die in der Mehrheit chronisch kranken und/oder alten Grundsicherungsbezieher:innen mussten im Stehen warten, obwohl auf dem Gang des Sozialamts massig Platz für Sitzgelegenheiten ist, es gab immer lange Wartezeiten und in vielen Fällen eine respektlose Behandlung vom Empfangstresen-Personal.
Hier ein Ausschnitt aus einem Bericht von damals:
Schon vor der Sprechzeit des Sozialamtes warten Menschenmassen, dass um 9 Uhr der Betrieb beginne. Zwei Security-Männer beobachten die Szenerie. Vor dem Gang mit den Zimmern der Sachbearbeiter:innen prangt ein Absperrband, dass die Security-Männer bewachen. Niemand von den Sozialamtbesucher:innen soll eigenmächtig zu den Sachbearbeiter:innen vordringen können. Das kleine Wartezimmer am Eingang auf der rechten Seite ist überfüllt. Draußen wartet der große Rest. Stehend. Alte Männer, Frauen mit Kindern, ein Mann mit einem Bein humpelt hin und her, er hat auch keinen Platz. Eine Frau, die mit ihrer Mutter da ist, welche mit Rollator geht und gerade eine Chemotherapie hinter sich hat,
diskutiert mit den Security-Männern, ob die Mutter nicht schon früher dran kommen könne.Sie hat eine Nummer über 70, d.h.- sie wird mindestens 1,5 Stunden warten.
Die Securitys: „Wir sind hier nicht im Jobcenter, wo die Schwerbehinderten eine Extraschlange haben.“ Der Wartebereich im Haus vor dem Eingang des Sozialamtes ist groß, leicht ließen sich dort
Bänke und Stühle aufstellen. Und bei etwas mehr Menschlichkeit könnten auch besonders Kranke vorgelassen werden. Anstatt die Sprechzeiten zu verkürzen, wie geschehen, sollte das Amt diese ausbauen.
Wir forderten den Neuköllner Sozialstadtrat Jochen Biedermann auf, die unerträgliche Situation im Sozialamt Neukölln zu verbessern!
Der Sozialstadtrat sagte uns: Es sollte mehr Personal angestellt werden, denn damals hatten die Mitarbeiter:innen im Durchschnitt 340 Akten zu bearbeiten. Das Grundsicherungsamt sollte gemeinsam mit der Wohnhilfe umziehen in das alte AOK-Gebäude in der Donaustraße, wo mehr Platz sei.
Nun ist das Sozialamt im September diesen Jahres umgezogen. Und es ist unfassbar, die Grundsicherungsbezieher:innen, also jene die in Altersrente oder Erwerbsminderungsrente sind und aufstocken müssen, stehen in der Schlange bei Regen und Kälte draußen an, um überhaupt erst von der Security einzeln ins Haus gelassen zu werden. Die Zustände haben sich also verschlechtert.
Gerade wurde von der SPD/CDU-Koalition die Grundrente beschlossen. Das wird aber die Situation im Sozialamt Neukölln nicht grundsätzlich verbessern. Denn die Grundrente setzt 35 Beitragsjahre voraus. Wer langzeiterwerbslos war, lange alleinerziehend, erwerbsgemindert wegen Krankheit usw. ist, also jene, die am stärksten von Altersarmut betroffenen sind, haben nichts von der Grundrente. Außerdem liegt die Grundrente nur zehn Prozent über der Grundsicherung, bedeutet das bei den Mieten etwa keine Altersarmut?
Wir zwei Betroffene, waren im Büro des Stadtrates im Rathaus, um uns zu beschweren. Der Mitarbeiter redete von Messerangriffen, die es im Sozialamt gegeben hätte. Daher sei die Security und dieser Einlass notwendig. Damit werden alle Besucher:innen des Sozialamtes und der Sozialen Wohnhilfe unter Generalverdacht gestellt. Die alte Omi genauso, wie die Krebskranke oder die Alleinerziehende, die mit ihrem Kind droht wohnungslos zu werden. Außerdem wollen sie eine weitere offene Sprechstunde in eine Terminsprechstunde umwandeln. Er sprach von Terminmanagement. Man könne ja anrufen, was praktisch aber unmöglich ist, weil kein Durchkommen.
Außerdem besuchten wir den Sozialausschuss von Neukölln. Dort gab es einen Antrag, ältere Bürger:innen über die Möglichkeit und Beantragung von Grundsicherung im Alter zu informieren. 5451 ältere Menschen bezogen 2017 in Neukölln Grundsicherung im Alter. Experten gehen dabei von einer Dunkelziffer bis zu 68% aus. Wegen der Scham, fehlenden Informationen und der unberechtigten Angst, Angehörige müssten für sie zahlen, scheuen Anspruchsberechtigte den Gang zum Sozialamt. Sie würden sich materiell einschränken, was einen Verlust an gesellschaftlicher Teilhabe bedeuten würde bzw. anderweitig aufstocken, zum Beispiel durch Pfandflaschensammeln. Diesem Zustand soll ein verbessertes Informationssystem entgegentreten.
Wir wiesen darauf hin, dass vor allem die Zustände am Sozialamt die Leute abschrecken. Von Amtsseite wurde gesagt, dass das neue Sozialamtsgebäude seit Dezember 2016 im Gespräch war und umgebaut wurde. Im Haus befinden sich nun die Ämter für Grundsicherungsbezieher:innen im Alter und bei Erwerbsminderung, für Asylbewerber:innen und die soziale Wohnhilfe. Das Haus wurde vor allem unter „Sicherheitsaspekten“ ausgewählt. Es gibt nur einen Eingang, im Gegensatz zum Rathaus, wo sich das Sozialamt zuvor befand. Es hätte eine „altbekannte Messerattacke“ gegeben, und fast täglich Vorfälle. Deshalb würden jetzt die Besucher*innen einzeln durch die Security abgescannt. Stolz wurde verkündet, man hätte jetzt drei Scanner. Es wurde gesagt, dass der Sicherheitsdienst besser geschult werden sollte, um die Betroffenen am Sozialamt besser zu behandeln. Das Abscannen an sich wurde zumeist nicht problematisiert. Wir wiesen daraufhin, dass damit alle unter Generalverdacht gestellt werden.
Der Mitarbeiter aus dem Biedermann- Büro, den wir letzten Donnerstag nach unserem Besuch beim Sozialamt aufgesucht haben, um ihm das mit der Schlange und Warten nahe zu bringen, behauptete im Sozialausschuss, dass er zuvor, also vor uns, da gewesen sei und da hätte niemand draußen gestanden. Die Leiterin vom Bürgeramt wies darauf hin, dass sie ihm glaubt.
Eine Betroffene war am Dienstagvormittag, also am Tag des Sozialausschuss, der am späten Nachmittag stattfand, nochmal am Sozialamt. Die Schlange war nicht ganz so lang wie letzte Woche. Jedoch saßen auch einige Leute etwas abseits auf Steinen und es kamen immer mehr dazu. Der Warteraum innen war schon sehr voll. Mit einem älteren Mann (77) aus dem Körnerkiez mit 100%- iger Behinderung kam sie ins Gespräch, weil er so erschüttert war, dass er anstehen muss.
Mit ihm ging sie zur Wachmannschaft und fragte, ob er denn nicht drinnen sitzen kann, weil er nicht so gut stehen kann, beide wurden rüde angemacht, dass hier Alle! reinwollen. Ihre Antwort: Nein! Nicht Alle! Nur die Armen wollen hier rein!
Für diese Zustände am Sozialamt Neukölln sind die Politik und Verwaltung verantwortlich, gegen solche Zustände müssen wir uns wehren.