Touristifizierung bekämpfen!

In der heutigen Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Neukölln stellte die Nachbarschaftsinitiative Weserkiez eine Einwohneranfrage zum Tourismus in Neukölln. Dazu gibt es folgende Pressemitteilung vom 10.12.2017:

Nachbarschaftsinitiative Weserkiez stellt Einwohneranfrage zum bezirklichen Tourismuskonzept – Touristifizierung und Mietpreisexplosion sind keine Naturgesetze

Am 13. Dezember 2017 reagiert die Nachbarschaftsinitiative Weserkiez mit einer Einwohneranfrage an die BVV Neukölln auf das Tourismuskonzept des Berliner Senats und die sich rasant zuspitzende Mietpreislage in den touristischen Hotspots Neuköllns.

Die Folgen eines unregulierten Massentourismus, wie sie Barcelona und Venedig erleben, sind längst auch in Berlin zu dokumentieren. So auch im Nord-Neuköllner Weserkiez. Die gravierendste Folge: Massive Mietpreisexplosionen bewirken konsequent soziale Verdrängungsprozesse. Betroffen sind: Anwohnende sowie auf Nahversorgung ausgerichtete Gewerbe und nicht-kommerzielle respektive niederschwellig-kommerzielle Kulturangebote. Dauerlärmbelästigung (u.a. verursacht durch Dauerpartybetriebe), gestörter Nachtschlaf, Stress und Vermüllung sind weitere augenfällige Symptome des veränderten Alltagslebens der Anwohnenden. – Kurz: Ein ungehemmtes Spiel der ökonomisch Stärkeren verändert städtische Strukturen einseitig in deren Interessen. Die Einnahmen dieser Branche gehen dabei an uns Anwohnenden vorbei.

Deshalb fragen wir (Wortlaut der Einwohneranfrage): „Warum erlässt der Bezirk nicht bereits jetzt mit sofortiger Wirkung eine bezirkliche Leitlinie – wie langfristig im Tourismuskonzept der Stadt Berlin avisiert, die eine Mietpreis- und Lärmentlastung der bezirklichen touristischen „hotspots“ sowie den Erhalt respektive die Wiederansiedlung von Gewerbe zur Nahversorgung der Anwohnenden garantiert, gekoppelt mit der sofortigen Aussetzung sämtlicher neuer Genehmigungen zur Umwandlung von Gewerben in Schankgewerbe sowie einer Deckelung von Gewerbemieten?“

Tourismus in Berlin – Risiken und Nebenwirkungen eines Massenphänomens

Das neue Zauberwort im Berliner Senat lautet Tourismuskonzept. Demzufolge sollen künftig die Tourismusströme in alle Bezirke gehen. – Erwünschter Nebeneffekt: Die Branche darf weiterhin ungebremst, in gewinnmaximierender Absicht expandieren. Seit 1993 wirbt die Berlin Tourismus & Kongress GmbH (kurz: visitBerlin) weltweit mit dem Slogan 365/24 (zu lesen als: In Berlin wird an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr die Sau rausgelassen) für diese Stadt. Die Liste ihrer Gesellschafter liest sich folgendermaßen: 15% Land Berlin, 40% visitBerlin Partnerhotels e.V., 25% Investitionsbank Berlin gefolgt von Flughafen Berlin Brandenburg GmbH mit 10%, Messe Berlin GmbH und TMB Tourismus-Marketing Brandenburg GmbH mit je 5%. (Quelle: http://www.berlin.de/sen/wirtschaft/wirtschaft/branchen/tourismus/visitberlin-110612.php, aufgerufen am 5.12.2017 um 14.26 Uhr).. Ökonomisch wird von der „Marke Berlin“ gesprochen. Die seit Jahren boomende Tourismusbranche und der Handel mit Immobilien verbreiten seither eine Art Goldgräberstimmung unter den beteiligten Akteuren.

Der Berliner Bezirk Neukölln muss jetzt reagieren!

Wir fordern den Bezirk auf, jetzt zu handeln und damit seiner Aufgabe nachzukommen: Entwicklungsprozesse sozial gerecht, ökologisch verträglich und diversity-nachhaltig zu steuern. Andernfalls macht er sich weiterhin aktiv zum Handlager des Ausverkaufs unseres Bezirks. Weitere Ballermannzonen müssen verhindert und Belastungen für die Anwohnenden in den schon entstandenen Ballermannzonen durch eine Rückabwicklung von Genehmigungen auf ein infrastrukturell verträgliches Maß reduziert werden. Eine auch auf Bezirksebene festzulegende Leitlinie muss beispielsweise Höchstzahlen für Schankgewerbe und geforderte Nahversorgung festlegen.

Als ersten Schritt fordern wir eine sofortige Aussetzung sämtlicher laufender und zukünftiger Genehmigungsverfahren in Sachen Schankgewerbe und Hostels in Wohnhäusern. Sodann fordern wir den Bezirk auf, bezirkliche Maßnahmen zu ergreifen, die auf die Erhaltung und Wiederherstellung der Nahversorgung und Rückentwicklung touristischer Hotspots zielen.

Quelle: Nachbarschaftsinitiative Weserkiez Pressemitteilung vom 10.12.2017

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Heute wurde auch einem Antrag der Grünen zur Versagung von weiteren Umnutzungen von Gewerberäumen im Reuterkiez von der BVV zugestimmt.
siehe auch Neuköllner Grüne wollen Verdrängung von Kleingewerbe und sozialen Einrichtungen bekämpfen .

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