und die Verdrängung funktioniert
Nachdem am 23. September die Neuköllner Bezirksverordnetenversammlung (BVV) den Erlass einer Milieuschutzverordnung für das Gebiet Reuterplatz beschlossen hat, steht nun das Gebiet Schillerkiez auf der Tagesordnung. Am kommenden Mittwoch, den 9. Dezember wird auf der BVV wahrscheinlich die Verordnung zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung gemäß § 172 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Baugesetzbuchs für das Gebiet „Schillerpromenade“ im Bezirk Neukölln von Berlin beschlossen werden. Beim Reuterkiez stimmten bis auf die CDU alle Fraktionen zu und das wird diesmal wohl ähnlich sein.
(Nachtrag vom 9.12.2015: Die BVV hat in der heutigen Sitzung zugestimmt )
Das Problem ist allerdings nach wie vor, dass die entsprechende Verordnung erst erlassen wird, wenn die notwendigen Stellen zur Durchsetzung des Milieuschutzes dem Stadtentwicklungsamt dauerhaft zur Verfügung stehen. Und das kann dauern. Deswegen steht ein weiterer Antrag Aufstellungsbeschlüsse und soziale Erhaltungssatzungen umsetzen und eine Anfrage Kein Milieuschutz aus Personalmangel? auf der Tagesordnung der BVV Neukölln.
Ganz abgesehen davon, ist das zu schützende Milieu ( Menschen mit wenig Geld )sowieso größtenteils verschwunden. Das belegen auch die Infos aus dem BVV-Beschlusstext ErhVOSchiPro ( PDF-Dokument 3,2 MB) und das Ergebnis der VU Schillerpromenade mit Fragebogen ( PDF-Dokument, 7,1 MB) , Stand 21.10.2015
Aufwertung und Verdrängung – Fakten zum Schillerkiez ( zukünftiges Erhaltungsgebiet Schillerpromenade)
„Das zukünftige Erhaltungsgebiet weist eine hohe wohnungswirtschaftliche Dynamik auf. Neben dem Anstieg der Angebotsmietpreise von über 70 % im Zeitraum der Jahre 2008/09 bis 2013/14 zeigt sich, dass die durchschnittliche Netto-Kaltmiete in Euro/qm bei Einwohnerinnen und Einwohnern, die seit 2011 in das Gebiet gezogen sind, im Schnitt um über 60 % höher liegt, als bei Einwohnerinnen und Einwohnern die seit über 35 Jahren im Quartier wohnen. Ein ausgeprägtes oberes Mietwohnungssegment hat sich herausgebildet. Insbesondere kleiner Mietwohnraum weist eine hohe Netto-Kaltmiete/qm auf.“
…..
„In den letzten Jahren wurde im zukünftigen Erhaltungsgebiet „Schillerpromenade“ eine voranschreitende Veränderung der Bevölkerungsstruktur festgestellt. Die Ursachen hierfür lagen unter anderem
- in den eingetretenen Veränderungen der demografischen Zusammensetzung der Wohnbevölkerung durch Anstieg der Altersgruppe der 27- bis 45-Jährigen (dies entspricht über 40 % der Gebietsbevölkerung),
- in einem kontinuierlichen Anstieg von wirtschaftlich leistungsfähigen Haushalten (der Anteil sozialversicherungspflichtig Beschäftigter an der erwerbsfähigen Bevölkerung im Alter zwischen 15 und 65 Jahren liegt bei 36 %, der Anteil freiberuflich tätiger Personen liegt bei 16 %),
- im Zuzug von hochqualifizierten und einkommensstarken Haushalten (ca. 80 % der seit dem Jahr 2011 in das Gebiet gezogenen Personen haben einen Fach- oder Hochschulabschluss und rund 20 % verfügen über ein Netto-Haushaltseinkommen von über 3.000 €) sowie
- in der inzwischen eingetretenen Aufwertung des Wohnungsbestands in Verbindung mit hohen Umwandlungs- und Verkaufsquoten.“
…..
„Die von Verdrängung bedrohten Teile der Gebietsbevölkerung sind insbesondere:
- Haushalte mit Kindern. Viele Haushalte mit Kindern sind in ihrer wirtschaftlichen Handlungsfähigkeit begrenzt. Preissteigernde Veränderungen der Wohnsituation können in besonderem Maße zu sozialen Härten führen, wenn keine Kompensation der zusätzlichen Mietbelastung stattfinden kann. Bei alleinerziehenden Haushalten ist
diese Gefahr nochmal deutlich höher einzuschätzen. - Haushalte mit hoher Wohndauer. Eine längere Wohndauer über Zeiträume von fünf und mehr Jahren konstituiert räumlich-soziale Bindungen an das Wohnquartier. Ein hoher Anteil dieser Bevölkerungsgruppe ist Voraussetzung für funktionierende Nachbarschaften und die Auslastung der bewohneradäquaten Infrastruktur im Gebiet.
- Kleine, einkommensschwache Haushalte. Diese Haushalte weisen eine besonders hohe Mietbelastung auf und fragen das begrenzte Kleinraumwohnungssegment nach, auf das die höchsten Netto-Kaltmieten/qm entfallen. Weitere Mietpreissteigerungen im Zuge von baulichen Aufwertungsmaßnahmen können von diesen Haushalten in der Regel nicht mehr getragen werden. Ein Umzug innerhalb des Quartiers zu gleichen Bedingungen ist durch die Entwicklung der Angebotsmietpreise kaum mehr möglich.
- Haushalte, die trotz guter wirtschaftlicher Voraussetzungen bereits eine hohe Mietbelastung aufweisen. Das bedeutet, dass hier nicht nur sozial schwächere Haushalte, sondern auch die so genannte Mittelschicht von Verdrängung bedroht ist. Dies gilt vor allem für die Haushalte mit Kindern, die in viel geringerem Maße ihre Ausgaben zugunsten einer höheren Miete umschichten können.“
Karte und Zitate aus:
BVV-Beschlusstext ErhVOSchiPro ( PDF-Dokument 3,2 MB)