Redebeitrag zum Beginn der Demonstration „Zu viel Ärger, zu wenig Wut“ im Neuköllner Norden:
Hallo Leute,
Schön dass ihr hier seid. Dass wir zusammen auf die Straße gehen, Krach machen gegen diese Entwicklung von hohen Mieten und Verdrängung, die hier in unserem Kiez immer stärker wird.
„Zu viel Ärger, Zu wenig Wut“ haben wir vorgeschlagen als Motto für diese Demo
„Zu viel Ärger, Zu wenig Wut“ hat vor ein paar Jahren jemand an den Edeka da vorne gesprüht.
Das war der richtige Spruch zur richtigen Zeit. Denn damals hatte das Quartiersmanagement zusammen mit dem Bezirk und Buschkotzky gerade ihre Task Force Okerstraße auf den Weg gebracht.
Nicht nur die Roma Familien in der Okerstraße wollte die Task Force vertreiben. Auch die Leute, die auf der Schillerpromenade ihr Sterni getrunken haben, sollten weg, von der Task Force wurden sie „Trinkergruppen“ genannt,
Wer heute, ein paar Jahre später, abends am Herrfurtplatz rumhängt, sieht nichts anderes als „Trinkergruppen“ nur dass es jetzt die hippe weisse Mittelschicht, mit passend gefüllter Geldbörse ist, die hier ihr Becks schlürft.
Draußen Bier trinken, laut sein, Müll rumliegen lassen, ist also offenkundig nicht das Problem gewesen, sondern in den Augen der Bezirksäutorität wares es schlicht die Falschen, die das damals taten. Wenn du genug Kohle hast um für 55 Euro in der Schillerbar beim „Schillerdinner“ zu essen, dann darfst du danach auch auf der Schillerpromenade dein Becks trinken.
Das ist ein Beispiel dafür, dass das Problem hier vor allem Verdrängung ist. Leute ohne Kohle, arme Menschen, Hartz 4 Bezieher_nnen und Migrant_innen sollen raus.
Menschen mit dem passenden Geldbeutel, können nach wie vor entscheiden wo sie gernn wohnen wollen. Wir müssen mittlerweile nehmen, was wir irgendwie bezahlen können. Und das heißt bei der x-ten Mieterhöhung dann oft genug raus aus dem Viertel und an den Stadtrand zu ziehen.
Zu viel Ärger gibt’s für uns hier auf jeden Fall.
Seit Jahren gibt es schon Widerstand gegen diese Entwicklung in unseren Kiezen. Und wir haben dabei auch Erfolge gehabt. Tempelhof konnte durch die Anwohner_inneninitiative Tempelhof für Alle, durch die versuchte Massenbesetzung der Kampagne Squat Tempelhof und schließlich durch einen Bürger_innenentscheid der Baumafia entzogen werden.
Aber Trotzdem verschärfen sich die Widersprüche in unserer Nachbarschaft immer mehr
Mehr und mehr Leute müssen wegziehen, ihre Wohnungen werden in Eigentum umgewandelt. Es hagelt Mieterhöhungen. Zwangsräumungen sind mittlerweile an der Tagesordnung. Während dessen haben auch die richtig Reichen unsere Kieze entdeckt.
Gegenüber des Jobcenters, auf dem ehemaligen Kindl-Areal, baut Ziegert Immobilien gerade einen Luxusneubau mit dem Namen 12053 mit 119 Eigentumswohnungen.
Ziegert ist hier im Schillerkiez vor allem dadurch bekannt geworden, dass sie mit sehr rabiaten Methoden die Allerstraße 18 leer geräumt und die Miet- in Eigentumswohnungen umgewandelt haben. Mittlerweile machen sie einen auf Neubau, weil sie denken, da kriegen sie nicht so viel Widerstand ab. Wenn du in Zukunft aus dem Jobcenter kommst wirst du deine neuen Nachbar_innen sehen, die kanpp den zehnfachen Hartz 4 Regelsatz pro Quadratmeter für ihre Luxusbude bezahlt haben … zwischen 2870 und 3970 Euro kostet da der scheiß quadratmeter.
In dieser ganzen Entwicklung können wir nicht auf die Politiker_innen oder die politischen Parteien vertrauen. Wir müssen uns selber helfen und solidarisch mit unseren Nachbar_innen gegen diese Entwicklung vorgehen.
Stadt & Land, wo wir auch vorbei laufen werden, ist ein gutes Beispiel, weshalb wir vom Senat oder vom Rathaus nichts aber auch gar nichts zu erwarten haben.
Die städtische Wohnungsbaugesellschaft ist eigentlich dafür da, Menschen, die auf dem freien Markt keine Wohnung bekommen mit Wohnraum zu versorgen. Außerdem sind sie Teil des sogenannten „Bündnisses für bezahlbare Mieten“ des Senats.
Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) sagte damals: „Zusammen mit den sechs städtischen Wohnungsbaugesellschaften haben wir mit dem Mietenbündnis ein Instrument der sozialen Wohnungspolitik erarbeitet und umgesetzt, durch das wir positiv auf die Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt einwirken können.“
Das ist ein Hohn und eine Verarsche sondergleichen. In den letzten Jahren klagte Stadt und Land ungefähr 10 mal am Tag gegen ihre Mieter/innen. 4600 Zwangsräumungen hat diese landeseigene Wohnungsgesellschaft seit 2009 durchgezogen. Gleichzeitig haben sie 2012 22 Millionen Gewinn erwirtschaftet.
Vor zwei Jahren gelang es, die Zwangsräumung von Zeinab und Maya Aus der Hermannstraße 208 zu verhindern. Das hat aber nur geklappt, weil sich viele Menschen mit ihr solidarisiert haben und zusammen Stress gemacht haben gegen Stadt und Land
Zu viel Ärger gibt’s also wie gesagt genug.
Aber was ist mit der Wut. Eigentlich bekommt man hier im Norden Neuköllns schnell den Eindruck dass die meisten die Schnauze voll davon haben die ganze Zeit nur verarscht zu werden. Und ich hab ja schon einige Beispiele genannt, wo unser Widerstand auch erfolgreich gewesen ist.
Ich glaube eigentlich nicht, dass es wirklich zu wenig wut gibt, aber diese wut ist im augenblick nicht wirklich sichtbar in den Straßen. Dabei müssen wir heute auf die Straße gehen, sonst sitzen wir morgen auf der Straße. Wir können nur gemeinsam was auf die beine stellen und dem Immobilienkapital und den Politiker_innen Feuer unterm Arsch machen. Nur wenn wir uns zusammen tun und diesen Angriff gemeinsam bekämpfen, können wir was erreichen.
Wenn wir hören, Die Aufwertung unserer Viertel und die Verdrängung, dass sei eine natürliche Entwicklung, wenn wir hören man kann nicht billiger bauen, ihr müsst halt 12 Euro den quadratmeter bauen. Wenn wir immer mehr Stress haben, nur um in einem Kiez, der uns gefällt, wo unsere Freunde und Freundinnen leben, zu wohnen. Wenn das alles so ist, in diesem System und angeblich nicht anders möglich ist. Dann stimmt etwas nicht mit diesem System. Dann muss dieses Scheiss System, in dem es nur um Profit geht, dann muss das weg!
Erich Fried hat mal geschrieben:
Was den Armen zu wünschen wäre für eine bessere Zukunft?
Nur, daß sie alle im Kampf gegen die Reichen so unbeirrt sein sollen, so findig, und so beständig wie die Reichen im Kampf gegen die Armen
Wenn die Wut dann ab und an sichtbar wird in Form von ein paar Pflastersteinen, die bei den neuen Luxusbauten in Kreuzberg und Friedrichshain Scherben hinterlassen, dann ist das Geschrei groß. Als wären kaputte Scheiben, das Problem in Berlin. Das Problem ist diese Scheiss Verdrängung und der Rausschmiss.
Für die Reichen gibt’s nämlich genug Platz, dass sind die einzigen, die sich aussuchen dürfen, wo sie wohnen wollen, während wir froh sein müssen überhaupt irgendeine Dreckswohnung zu kriegen, die wir noch bezahlen können.
Leute seid Laut, seid wütend:
Schluss mit der Verdrängung,
Schluss mit hohen Mieten.
Die Häuser denen, die sie brauchen!!