Ein neues Projekt macht Geschichte sichtbar und zeigt Perspektiven, die nach wie vor aktuell sind.
BERLIN BESETZT zeigt die Geschichte von Haus- und Platzbesetzungen in Berlin als Beispiel für selbstermächtigte Eingriffe von Protestbewegungen in den Stadtraum und das Stadtleben.
Der interaktive Online-Stadtplan mit digitalem Archiv macht kollektive und selbstverwaltete Räume in der Stadt sichtbar. Die Karte zeigt den Berliner Stadtraum als Ergebnis von Aneignungskämpfen, an denen Hausbesetzungen einen (nicht zu unterschätzenden) Anteil haben.
Mit Sicherheit ist diese Geschichte noch lange nicht fertig erzählt und wir freuen uns über Ergänzungen, Korrekturen und Material!
… ein Projekt vom Pappsatt Medienkollektiv, reclaimyourcity.net und Eike Send, in Zusammenarbeit mit dem Papiertiger-Archiv, dem Umbruch-Foto-Archiv und azozomox. Kontakt: info@berlin-besetzt.de
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Hausbesetzungen in Berlin
Die Hausbesetzungsbewegung war Anfang der 1980er Jahre bestimmendes Thema in der Berliner Stadtpolitik. Ausgelöst wurde sie durch zunehmende Wohnungsknappheit, während gleichzeitig ganze Straßenzüge entmietet und dem Verfall ausgesetzt waren. Nach dem Mauerfall kam es zu einer zweiten großen Besetzungswelle Anfang der 1990er Jahre, die vor allem die kulturelle Entwicklung Berlins entscheidend mitprägte. Noch heute gibt es hunderte Wohn- und Kulturprojekte in der Stadt, die aus Besetzungen hervorgegangen sind.
Aktuelle urbane Protestbewegungen
Momentan bestimmen Themen wie Mieterhöhungen, Wohnungsknappheit, Verdrängung von Einkommensschwachen aus der Innenstadt, zunehmende Privatisierung des öffentlichen Raums und die Forderung nach Mitbestimmungsmöglichkeiten in der Stadtplanung die politische Tagesordnung in vielen westlichen Metropolen.
Gegen die Folgen neoliberaler (Stadt-)Politik organisieren und vernetzen sich soziale Bewegungen auf der ganzen Welt für ein »Recht auf Stadt« für alle. Ein wichtiger Teil ihrer Forderungen ist, bezahlbaren Wohnraum in einer sozialen Stadt zu schaffen.
…in Berlin
In Berlin setzte zunächst die »Mediaspree versenken“-Kampagne gegen die Privatisierung des Spreeufers eine breite gesellschaftliche Debatte über die Stadtentwicklung in Gang. Wenige Jahre später formiert sich zunehmend Protest gegen steigende Mieten und die damit einhergehende Zwangsräumungen von Wohnungen.
Stimmen, die eine breitere gesellschaftliche Mitbestimmung fordern, werden immer lauter: So etwa gegen die geplante Bebauung des ehemaligen Flughafen Tempelhof oder die Verlängerung der Autobahn A100 durch die Berliner Innenstadt.
Revival von Besetzungen als Aktionsform
Zeitgleich mit dem Erstarken der verschiedenen urbanen Protestbewegungen kam es seit 2012 wieder vermehrt zu Haus- und Platzbesetzungen in Berlin. So besetzten RentnerInnen ihren Treffpunkt im Bezirk Wedding, um dessen Fortbestand zu sichern, so besetzten AnwohnerInnen eine Fläche am U-Bhf. Kottbusser Tor und errichteten dort eine Hütte als Protest- und Versammlungsort gegen steigende Mieten und Verdrängung (»Kotti&Co«). Flüchtlinge schlugen auf einem Teil des Oranienplatzes ein Protestcamp auf, um gegen ihre schlechten Lebensbedingungen als gesellschaftlich Marginalisierte zu kämpfen und besetzten im Dezember 2012 eine ehemalige Hauptschule in Kreuzberg (»Refugee Strike«). Auf der Kreuzberger Cuvry-Brache, einem der letzten unbebauten Grundstücke am Spreeufer, entstand ein selbstverwalteter Raum mit Nachbarschaftsgarten, Zeltplatz und Open-Air-Gallerie für Graffiti.
In den Debatten über das Problem der Gentrifizierung wird oft der Eindruck erweckt, dass es eine ungeschriebene Gesetzmäßigkeit der Stadtentwicklung nach den Regeln der freien Marktwirtschaft gebe, gegen die sich nur schwer gegensteuern ließe. Die Geschichte der Hausbesetzungen in Berlin aber zeigt, dass es Möglichkeiten zum Eingreifen gab und gibt…
DIE STADT GEHÖRT ALLEN!