Tempelhofer Feld vermarkten

Ein Bericht aus linksunten.indymedia.org über Bürgerbeteiligung als Farce.

Senator Müller: „Wir wollen das Tempelhofer Feld vermarkten, wir wollen damit Geld verdienen.“

Am 6. März 2013 fand im Gebäude des ex-Flughafens Tempelhof die sogenannte „Standortkonferenz“ des Berliner Senats zur Vorstellung des „Masterplans“ für die Entwicklung des Tempelhofer Feldes statt. Das dreistündige Event war ein Beispiel Gelenkter Demokratie, die Mitbestimmung und Recht auf Stadt lediglich als Illusion vor sich herträgt, um in kleinen Zirkeln bereits vorausgeklüngelte Bauvorhaben zu legitimieren. Positives daraus mitnehmen konnte man allerdings nur den Kaffee und Knabberspaß für Umme auf Steuerzahler*innenkosten.

Die Veranstaltung in der zentralen Abfertigungshalle wurde von einem sehr guten Dutzend privater Sicherheitskräfte inklusive einer Handvoll Bullen in Uniform „gesichert“. Auch im Publikum hatten Bullen Platz genommen. Offenbar bestand panische Angst vor einer spektakulären Aktion, die dann aber doch ausblieb. Um wenig Angriffsfläche zu bieten und eine Art scheinneutralen Schiedsrichter auf die Bühne zu stellen, entschied sich der Senat in Gestalt seiner Entwicklergesellschaft „Tempelhof Projekt“ in bisher bewährter Weise dafür, einen Moderator dafür zu bezahlen, durch den Abend zu führen.

Senator Müller leitete mit Ehrlichkeit ein und machte deutlich „Wir wollen das Feld vermarkten und wir wollen damit auch Geld verdienen. Unternehmen wollen sich dort ansiedeln.“ Der Senat und seine eigens für den Zweck ins Leben gerufene „Tempelhof Projekt GmbH“ drücken bei der Entwicklung des Areals aufs Tempo. Bis zum Jahr 2025 sollen eine Bibliothek, ein Omnibusbahnhof, ein Gesundheitszentrum und mehrere Tausend Wohnungen an den Rändern des Tempelhofer Feldes auf Neuköllner und Tempelhofer Seite gebaut werden. Der Ideenwettbewerb für die Zentral- und Landesbibliothe wurde bereits im letzten Jahr ausgeschrieben, dieses Jahr soll ein Wasserbecken angelegt werden. Fakten sollen geschaffen werden – bei laufenden Vorbereitungen für ein Plebiszit, dass diese Bauplanungen verhindern möchte.

Die Veranstaltung wurde vom Senat dann geschickterweise auch in drei Gruppen aufgeteilt, in denen bitteschön über die vorgegebenen Themen „Masterplan“, „Park“ und „Quartier T-Damm“ gesprochen werden sollte. Der Wunsch, dass man sich in einer 4. Gruppe über den Sinn des Großen Ganzen austauschen wolle, wurde mit rasch nachgeschobenen und einstudierten Floskeln „moderiert“. Das Prozedere habe sich der Veranstalter nunmal so ausgesucht, das könne man jetzt nicht ändern.

Dabei gaben sich Senatsbaudirektorin Regula Lüscher, Michael Müller und dem Staatsseketär Ephraim Gothe jede Mühe, der Öffentlichkeit nicht zu erzählen, wer denn eigentlich dieses Entwicklungsprojekt brauche und wozu es dient. Dass es weitere Wohnungen fast nur für Reiche und noch mehr Geld in den Kassen der Berliner Bauwirtschaft und Immobilieninvestor*innen und die weitere Privatisierung von Grund und Boden eines Parks bedeuten würde, der jetzt (zwar umzäunt und beaufsichtigt) der Allgemeinheit zur Verfügung steht. Die „Tempelhofer Freiheit“ fügt sich aber ein in ein Konzept von Stadtentwicklung im Kapitalismus, dessen moderner Geist von der Illusion getragen ist, dass jetzt endlich alle mitbestimmen können, der aber zum Ergebnis hat, dass es am Ende aber doch immer wieder dieselben sind, die profitieren.

Alle Einzeldiskussionsrunden wurden von vielen kritischen Wortbeiträgen durchbrochen. Dabei wurde deutlich, dass von den wenigen vermietbaren Neubauwohnungen auf dem Tempelhofer Feld auch bei öffentlicher Wohnungsbauförderung keine einzige zu Kaltmieten zu haben wären, die sich Gering- oder Nichtverdiener*innen leisten können und nicht mal ansatzweise dazu beitragen könnten, Druck aus dem Berliner Mietenmarkt zu nehmen. Das „Wohn- und Bildungsquartier Tempelhofer Damm“ wurde auf Infostellwänden entsprechend mit „Referenzbildern“ veranschaulicht, die die Hafencity in Hamburg, die Lenbachhöfe in München oder das Quartier Masséna in Paris zitierten. Wenn so das Berlin für Alle aussehen soll, nehmen wirs gerne! Dann halt lieber Luxus für alle!

Am Ende blieben viele Stellwände mit aufgepinnten Moderationskärtchen zurück, die keinen anderen Zweck hatten, als zu dokumentieren, dass man sich das alles mal angehört hat. Praktikant*innen werden sie in Klarsichtfolien abheften.

Für das Tempelhofer Feld ist es an der Zeit, die Bebauungspläne des Senats zu verhindern und ein demokratisches Anwohner*innen und Nutzer*innenplenum von unten zu erkämpfen, das den Park selbst verwaltet und zum Beispiel Schluss macht mit der Autorität von Grün Berlin, die immer noch im Park rummackert. Und für den Frühling und Sommer bieten sich für den Fall, dass die Bauvorhaben gegen den Widerstand der Bevölkerung durchgedrückt werden sollten und Bauarbeiten beginnen, auch Aktionen des zivilen und nicht zivilen Ungehorsams an.

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