Am Dienstag, 29.5. hatten die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung sowie die drei mit der Privatisierung und Kommerzialisierung des Ex-Flughafengeländes betrauten privaten Unternehmen zum „Bürgergespräch“ zur Planung der Parklandschaft insbesondere auf der Neuköllner Seite ins Albrecht Dürer Gymnasium in Neukölln geladen. Ihre dreistündige Veranstaltung wurde zu großen Teilen von anwesenden Aktivist_innen, Wutbürger_innen und durch die Verdrängung ihrer Nachbarinnen und Nachbarn besorgter Anwohner_innen übernommen, umgestaltet und gestört.
Die Veranstaltung war wohl gedacht als Beispiel für partizipative Planung. Die Grün GmbH, die das öffentlichen Geländes des Ex-Flughafen Tempelhof verwaltet (=Schließzeiten, Zaun, Sicherheitsdienst, der gern mal Platzverweise erteilt, Parkordnung) hatte das „Bürgergespräch“, bei dem die aktuellen Planungen vorgestellt und Anregungen aus der Zivilgesellschaft aufgenommen werden sollten, allerdings nur auf ihrer Homepage sowie bei Anwohner_innen einer angrenzenden Straße mit Faltblättern im Briefkasten angekündigt. Trotzdem kamen ca. 80 Leute, ein Großteil wollte seinen Unmut über die Planungen ausdrücken. Das passierte erstmal durch Zwischenrufe bei den Vorträgen von den Fuzzis vom Tempelhof Projekt GmbH, der IGA Berlin 2017 GmbH und dem Architekturbüro GROSS.MAX, die nichts zu den geplanten Luxuswohnungen an den Rändern des Feldes sagten und lediglich in Aussicht stellten, dass im kleinen Rahmen Wünsche für die „Parklandschaft“ artikuliert werden könnten. Ohne verbindliche Wirkung selbstverständlich.
Nachdem der Moderator treffend bemerkt hatte, „alle hauptsächlich betroffenen Parteien“ (also die Organisatoren und Profiteure der Verwertungsscheiße – selbstredend ausschließlich männliche Vortragende, die von ihren weiblichen Assistentinnen unterstützt wurden) hätten ihre Sichtweise nun dargelegt, gab es eine Publikums-Fragerunde mit unterschiedlich stark abgefeierten Wutausbrüchen, Anklagen und Klarstellungen seitens „der Bevölkerung“, die sich über die vermeintliche Bürger_innenbeteiligung, die drohende und bereits vonstatten gehende Verdrängung von Anwohner_innen, die geplante Vernichtung großer Teile der Freifläche, die Verkleinerung von Grillflächen und Stadtteilgärten etc. aufregten. Beim Antworten entlarvten sich die Idioten im Anzug gerne selbst: Auf den Vorwurf, es werden Wohnungen für Besserverdienende ab 14 €/qm gebaut, antwortete der Öffentlichkeitschef der Tempelhof Projekt GmbH, Vorwürfe dieser Art würden ja ständig von Protestlern ohne Grundlage erhoben, aber klar, in diesem Fall stimme es ja. Wir dürfen aber beruhigt sein, denn in den hinteren Reihen der Wohnblocks seien auch Wohnungen zu anderen Preisen denkbar, allerdings nur, wie diese eben vereinbar seien mit den Bodenpreisen. Wir können uns vorstellen, wie viele Hartz IV-kompatible Wohnungen entstehen werden.
Anschließend sollte in „moderierten Arbeitsgruppen die Möglichkeit gegeben werden, zu den Themen Freizeit und Spiel, Sport, Ruhe und Erholung, Umweltbildung und Urban Gardening Wünsche zu formulieren“. Spontan wurde aber von einem Anwohner die AG „Das große Ganze“ gegründet, die in klarer Frontstellung zu den Veranstalter_innen die Gesamtpläne für das Areal thematisieren sollte. Die Moderation und die Spielregeln der mit Abstand am besten besuchten Arbeitsgruppe wurden von den Anwesenden selbst festgelegt. Es wurde sich von gegen jegliche Bebauung ausgesprochen und sich darauf geeinigt, gemeinsam Protest gegen die unsozialen und die Belange der Anwohner_innen, Nutzer_innen und weniger gut Betuchten torpedierenden Maßnahmen zu planen – abseits der von Senat und co. vorgesehenen Partizipationsspielwiesen. Dabei waren Leute, die die Lärmdemo gegen die Bebauung des Feldes am 20.05. organisiert hatten, Leute von der 100%-Initiative und viele Einzelpersonen. Anschließend wurde das Werbematerial der GrünGmbH trotz deren Jammern, Schimpfen und Bitten eingesackt und für zukünftige eigene, echte Informationsveranstaltungen reserviert. Den obligatorischen Umarmungsversuchen gegen Ende der Veranstaltung wurde eine klare Absage erteilt. Die Ergebnisse der Arbeitsgruppe wurden nicht neben den anderen Arbeitsgruppen vorgestellt, die Berufsverdränger_innen durften sich selbstverständlich nicht auf die Mailliste für die weitergehende Zusammenarbeit schreiben und zum Abschluss wurde noch einmal betont, dass ein nicht zu überbrückender Widerspruch zwischen den Organisierenden der Verarschungsveranstaltung und denen, die den Protest artikuliert hatten, besteht.
Insgesamt war der Abend ein nettes Beispiel dafür, wie man offizielle Veranstaltungen der Gegner_innen effizient stört, dabei Mitstreiter_innen für die Gegenpostition findet und sich nicht vereinnahmen lässt. Kein Beispiel gelungener Partizipation im Rahmen des Vorgegebenen, sondern Kampfansage. Heute folgt übrigens die nächste Show der GrünGmbH in Tempelhof, am 7.6. ist dann Kreuzberg dran. Anwohner_innen dieser Kieze können ja schonmal überlegen, wie sie die Damen und Herren aus dem Konzept bringen, wenn diese sich wohl auf einen ähnlichen Verlauf wie gestern einstellen…
Der Text wurde entnommen aus indymedia [B] Veranstaltung zu Tempelhofer Feld gestört