Aktionen gegen das Quartiersmanagement

Unter diesem Titel veröffentlichte das Berliner Abendblatt am 20. Februar einen Artikel auf seiner Titelseite. Da die Zeitung Online nur als komplettes Heft im PDF-Format zum Download bereitsteht, dokumentieren wir hier den Text:

Aktionen gegen das Quartiersmanagement
Linksautonome wollen Verbesserungen im Schillerkiez verhindern
und sprechen von „repressiver Umstrukturierung “

Neukölln. Am Mittwoch voriger Woche klingelte ein junger Mann im Büro des Quartiersmanagements in der Schillerpromenade. Eine Mitarbeiterin öffnet, und schon sind zehn Leute im Laden – alle in roten Kapuzenpullovern und mit weißen Masken verkleidet, damit man sie nicht erkennen kann. Dann wird begonnen, Wände und Ausstellungstafeln zuzukleistern, damit man Plakate draufkleben kann, man will der Mitarbeiterin einen vergammelten Blumenstrauß als „Preis für Rassismus“ verleihen und gefilmt wird das Geschehen auch. Nach fünf Minuten folgt der schnelle Abgang samt der Ankündigung, immer wieder kommen zu wollen. Wahrscheinlich gilt die Aktion nur als Hausfriedensbruch, aber sie steht für eine lange Reihe sich offensichtlich steigernder Aktionen aus der linksautonomen Szene gegen das Quartiersmanagement Schillerpromenade.


Begonnen haben die Aktivitäten, als im Sommer letzten Jahres die „Task Force Okerstraße“ gegründet wurde. Der Versuch, den dortigen Problemen durch verbesserte Zusammenarbeit von verschiedenen Ämtern, Polizeidienststellen und dem Quartiersmanagement zu begegnen, werteten die Linksautonomen als den Versuch im Schillerkiez „aufräumen“ zu wollen. Also forderten sie, die „Task Force Okerstraße“ aufzulösen und sich „gegen jede Säuberungsbemühungen“ zu wehren.
Es schloss sich eine lange Reihe von Aktionen an, die mit einem „Solisaufen“ begannen, das jeden Donnerstag vor dem Vorortbüro stattfinden sollte. Da Trinken bekanntlich mutiger macht, wurden die QM-Mitarbeiter dabei des Öfteren beschimpft und man kündigte ihnen an, dass sie wohl bald nur noch mit Polizeischutz arbeiten könnten. Im September wurden dann Eingangsstufen und Fenster des Büros mit Hundekot beschmiert und man warf Farbbeutel, gleichzeitig wurden Anti-QM-Sprüche auf die Genezareth-Kirche, ein SPD-Bürger-Büro und die Bequit gesprüht. Im Oktober folgten unter anderem Bauschaum-Verklebungen, im November zerschlug man mit einer Eisenstange Schaufenster. Tür und Fenster des Vorortbüros (übrigens auch im QM-Büro Reuterkiez) und im Dezember war zu hören, dass bald auch alle Kulturschaffenden und alle Kooperationspartner des Quartiersmanagements mit Angriffen rechnen könnten.
Die Aktion in der vorigen Woche war dennoch ein Höhepunkt in der Entwicklung, weil zum ersten Mal die Mitarbeiter des Quartiersbüros direkt angegangen wurden. Drei Stunden später verlagerte wohl dieselbe Gruppe ihre Aktivitäten in die Neukölln Arcaden, wo mit Plakaten, Flugblättern und Megafondurchsagen die „Umstrukturierung“ im Bezirk kritisiert wurde. Hier gab es allerdings auch eine Neuerung, denn nicht alle konnten beim Eintreffen der Polizei abhauen. Eine 23-Jährige und ein zwei Jahre älterer Komplize sind nun bekannt. Die „Task Force Okerstraße“ wurde (wenn man vielleicht vom Namen absieht) von den Anwohnern gewünscht und beschlossen. Dass die Schließung des Flughafens Tempelhof vielleicht auch positive Auswirkungen auf den Schillerkiez haben könnte kann sein — die Gegend ändert sich jedenfalls beständig. Und falls auch wieder mal Familien hinziehen, ist dies weniger ein Problem als völlig überbelegte Wohnungen, die es derzeit gibt — wobei die Mieteinnahmen noch nicht einmal steigen müssen. Jedenfalls müßten die Anwohner unterschiedlichster Art und Prägung zusammenleben, erklärte Elisabeth Kruse, die Pfarrerin der Genezareth-Gemeinde. „Eines brauchen wir jedenfalls nicht Intoleranz und Gewaltbereitschaft. In diesem Sinne sind sie wirklich überflüssig“, meinte Pfarrerin Kruse zu den Weiß-Vermummten, die wohl zu einer Antifa-Gruppe namens „Die Überflüssigen“ gehören.
Auch der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit zeigte kein Verständnis, dass jemand im Namen des Quartiers das Quartiersmanagement bekämpft. „Das ist falsch und muss verurteilt werden, denn es stellt die Sache auf den Kopf.“ Schließlich sollen wieder Menschen in die Gegend ziehen, damit sich die soziale Mischung verbessert. „Wenn Verbesserung Gentrifizierung bedeuten soll, ist das falsch. Und es geht nicht darum, das Quartier freizuräumen. Die Aktion ist also überflüssig.“
In der Okerstraße, wo sich die Linksautonomen keine Veränderungen wünschen, gibt es Häuser, in denen bis zu einem Dutzend Menschen pro Zimmer wohnen. Gleichzeitig sind die Bauten relativ verfallen, so fehlten zum Beispiel Geländer. Und dass die Kinder nicht zur Schule, sondern betteln gehen scheint kein Problem zu sein…
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