Stadtentwicklung als Betätigungsfeld privater Beratungsfirmen
Die Quartiersmanagements in Neukölln werden von privaten Beratungsgesellschaften betrieben 1. Diese Unternehmen arbeiten, beraten und betreuen Projekte in den Bereichen Stadterneuerung und Sanierung und so stellt sich die Frage, wie ernst sind die Ansprüche der Quartiersmanager tatsächlich, die Lebensqualität für alle BewohnerInnen zu verbessern bzw. diese zu aktiven AkteurInnen der Quartiersentwicklung machen zu wollen. Aufwertungen sogenannter Problemgebiete durch Wohnumfeldverbesserungen und Sanierungsmaßnahmen bieten Möglichkeiten auf ein gutes Geschäft. Mit dem Betreiben von Quartiersmanagements ist es so möglich sich für weitere Aufträge in diesem Geschäft zu empfehlen bzw. sich einen Einblick in entsprechende Gebiete zu verschaffen.
Die Quartiersmanager arbeiten im Auftrag des Senats für Stadtentwicklung und der jeweiligen 8 Bezirksämter. Die unterschiedlichsten Träger können sich auf diese Stellen bewerben. Diese beschreiben ihre „Leitvorstellungen für diese Gebiete“ und liefern eine „erste Analyse der Stärken, der Schwächen, Chancen und Gefährdungen des Gebietes“, um so die „Problemlage“ zu definieren. Wer der Senatsverwaltung am meisten aus der Seele gesprochen hat, bekommt den Zuschlag.2 Mutmaßte 1998 Ulrike Steglich im MieterEcho Nr.271 noch, dass „es sich lediglich um ein Arbeitsbeschaffungsprogramm für Akademiker“3 handeln würde, so muss heute festgestellt werden, dass die Einrichtung von Quartiersmanagements auch Vorbereitungen für Sanierungsmaßnahmen und Gentrifizierungsprozesse sind. Dieser Aspekt wird beim Blick auf die Unternehemen deutlich, welche die Quartiermanagements in Neukölln betreiben.
Die „ASUM GmbH“ 4 (Angewandte Sozialforschung und urbanes Management) tätig im QM Donaustraße seit 2009, QM Flughafenstraße seit 2008 und in der Mieterberatung Prenzlauer Berg 5 (QM Ganghoferstraße seit 2009, QM Körnerpark seit 2005) bezeichnen sich selber als Fachunternehmen, um in den Sanierungsgebieten soziale Prozesse zu steuern bzw. die Interessen der BewohnerInnen zu erfassen. Soziale Steuerung meint in diesem Zusammenhang jedoch lediglich, dass durch „professionelle Moderation“ die betroffenen MieterInnen soweit wie möglich einbezogen werden sollen, damit die Sanierungsmaßnahmen reibungslos ablaufen können. Matthias Bernt beschreibt in seinem Buch „Rübergeklappt Die behutsame Stadterneuerung in Berlin der 90er Jahre“, die ASUM als eine Sozialplanungsgesellschaft, die im Auftrag der Gemeinde Modernisierungsvereinbarungen zwischen Mietern und Vermietern aushandelt, Sozialpläne erstellt, MieterInnen umsetzt und an der Erteilung sanierungsrechtlicher Genehmigungen mitwirkt.6 Die so genannten Mieterberatungsgesellschaften arbeiten auf Honorarbasis, dessen Höhe sich an dem jeweiligen „Erfolg“ anknüpft. Die Betreuungsfirmen agieren dabei in erster Linie im Interesse ihrer AuftraggeberInnen, die Interessen der MieterInnen spielen dabei eine untergeordnete Rolle. Auf der Internetseite der Berliner „MieterGemeinschaft“ schreibt Peter Nowak, dass bei der Sanierungsberatung durch die Mieterberatung Prenzlauer Berg deutlich zu verstehen gegeben wurde, dass auch ohne die Einwilligung der MieterInnen dem/der EigentümerIn die Genehmigung zur Sanierung erteilt werden kann.7 Mit den Quartiersmanagementbüros haben diese Firmen einen Fuß in die potentiellen Sanierungsgebiete gesetzt, so liegt das von der ASUM betriebene Quartiersmanagement Donaustraße im Untersuchungsgebiet für Stadterneuerung Neukölln Maybachufer / Elbestraße. Es ist davon auszugehen, dass sie die Präsenz vor Ort nutzen werden, um sich als Steuerungsunternehmen im Zusammenhang mit Sanierungsmaßnahmen zu empfehlen.
Das Institut „Weeber + Partner“ 8 (QM High Deck Siedlung seit 1999) existiert seit 1969 und arbeitet für Bundes- und Landesministerien, Regionen, Kommunen, Verbände, Wohnungsunternehmen und soziale Organisationen. Aus der Auflistung der Veröffentlichungen lässt sich sofort erschließen, dass insbesondere die Beratung von Vermietern und Wohnungseigentümern ein Schwerpunkt der Arbeit dieses Instituts ist. Beispielsweise waren für die Erstellung des Forschungsberichts mit dem Titel „Die zweite Miete“ (erschienen 2009) die Gesprächspartner Wohnungsunternehmen, Verbände und Dienstleistungsunternehmenfür die Wohnungswirtschaft. In dem Text geht es um die Eindämmung der Betriebskosten, um so die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Denn aus günstigeren Betriebskosten können sich auch „Mieterhöhungspotentiale“ ergeben. In der Untersuchung „Weniger Beschädigung und Verschmutzung in Wohnanlagen: Was hilft“ (erschienen 2007) werden ebenfalls praktische Tipps an Wohnungseigentümer gegeben, mit welchen Methoden die MieterInnen effektiver kontrolliert werden können. In diesem Zusammenhang wird auch die quasi Verdrängung ärmerer MieterInnen vorgeschlagen, indem die Umwandlung von Miet- in selbstgenutzte Eigentumswohnungen bzw. die ergänzende Bebauung mit Wohneigentum als eine wirksame Strategie angesehen wird 9. Die „High Deck Siedlung“ als eine Siedlung des „Sozialen Wohnungsbaus“ am südlichen Ende der Sonnenallee wird seit Sommer 2007 von dem neuen Eigentümer von rund 1.900 Wohnungen, der „Capricornus High-Deck Residential GmbH & Co. KG“ saniert. So stellt sich die Frage, ob nicht das Betreiben dieses Quartiersmanagements ein Türöffner für weitere Aufträge im Sanierungsgeschäft ist, zumal die Firma Weeber + Partner sich u.a. auf die Beratung von Wohnungsunternehmen spezialisiert hat. In diesem Zusammenhang wird sich die Capricornus High-Deck Residential GmbH & Co. KG freuen, dass sie mit dem Träger des örtlichen Quartiersmanagements einen echten Spezialisten vor Ort hat. Auf die Resultate dieses Sanierungsvorhabens kann mit Spannung gewartet werden. Ob die High Deck Siedlung dann noch aus Wohnungen aus dem Bereich des „Sozialen Wohnungsbaus“ oder vor allem aus sanierten igentumswohnungen besteht, wird die Zukunft zeigen.
Die „BSG“ 10 (Brandenburgische Stadterneuerungsgesellschaft mbH), tätig im QM Schillerpromenade seit 1999, QM Rollbergsiedlung seit 1999, QM Richardplatz Süd seit 2005 und QM Reuterplatz seit 2003, arbeitet als mittelständisches Unternehmen und berät private und öffentliche Auftraggeber in allen Fragen der Sanierung, des Städtebaus und der Stadtentwicklung. In diesem Unternehmen arbeiten ArchitektInnen, WirtschaftsingenieurInnen und StadtplanerInnen zusammen. Im „Sanierungsgebiet Wederstraße“ in Neukölln und am Kottbusser Damm Ost unterstützt die BSG das Land Berlin bei der Vorbereitung und Durchführung der Sanierungsmaßnahmen. Auf ihrer Internetseite rühmt sich diese Firma damit, dass sie mit den QMs in Neukölln das Ziel verfolgen würde, die Lebensqualität der BewohnerInnen zu verbessern und dass sie diese zu aktiven AkteurInnen der Quartiersentwicklung machen will. Nicht nur das Papier „Task Force Okerstraße“, welches von dem „QM Schillerpromenade“ verfasst worden ist, macht deutlich, dass bestimmt Teile der Bewohnerschaft nicht aktiviert, sondern vor allem mit Repressionen bedroht werden sollen. Auch das bisherige Resultat im „Sanierungsgebiet Kottbusser Damm Ost“ hat vor allem die höchste Kaltmiete pro Quadratmeter in Nordneukölln (5,50 bis 5,75 €/m²)11 zur Folge gehabt. Dass ein Teil der Bewohnerschaft in die südlichen Gegenden von Neukölln weggezogen ist 12, zeigt, dass die Verbesserung der Lebensqualität nicht allgemeines Ziel für alle ist, sondern es um die Verbesserung der Rahmenbedingungen für zahlungskräftigeres Klientel in den Sanierungsgebieten geht. Auch bei den nun weiter südlich entstehenden „Sanierungs- und Untersuchungsgebieten“ ist die Brandenburgische Stadterneuerungsgesellschaft mbH stark vertreten. Am 17. September 2009 war in der Berliner Zeitung zu lesen, dass „die Karl-Marx-Straße und angrenzende Seitenstraßen auf einen knapp drei Kilometer langen Abschnitt zum Sanierungsgebiet“ erklärt worden sind. „15 Jahre lang, von 2010 bis 2024, sollen dann hundert Millionen Euro in den Umbau und die Sanierung des Viertels investiert werden.“13 „Die Gesamtsteuerung der vorbereitenden Untersuchungen hat die Brandenburgische Stadterneuerungsgesellschaft mbH übernommen.“ 14. Das von der BSG betriebene Quartiersmanagement am Reuterplatz liegt im Untersuchungsgebiet für Stadterneuerung Neukölln Maybachufer / Elbestraße. Es gehört nicht viel Phantasie dazu, dass dieses Unternehmen auch im Zusammenhang mit diesem Sanierungsvorhaben noch viel Geld verdienen will.
Zusammenfassend muss festgestellt werden, dass zunehmend marktwirtschaftliche Unternehmen mit quasi staatlichem Auftrag im Bereich der Stadterneuerung und Sanierung agieren. Diese sind lediglich gegenüber ihrem Auftraggeber verpflichtet und sind kaum einer öffentlichen Kontrolle unterworfen. Diese Firmen, die alle im Bereich der Stadterneuerung und Sanierung geschäftlich tätig sind verkaufen ihre Leistungen als warenförmige Dienstleistungen und stehen in Konkurrenz mit anderen AnbieterInnen. Um sich weiterhin Aufträge zu sichern, versuchen sie ständig neue „Problemlagen“ zu thematisieren, um so durch weitere Aufträge im Geschäft zu bleiben. Das Betreiben der Quartiersmanagements bietet so gute Möglichkeiten sich in den entsprechenden Gebieten schon einmal festzusetzen, um sich für weitere Aufgaben zu empfehlen. Die Gelder, die von dem Quartiersmanagement für Initiativen, Vereine etc. ausgegeben werden, um beispielsweise ein Stadtteilfest zu organisieren sind somit eher als Schmiergeld zu verstehen, um von den wirklichen Interessen dieser Firmen, nach weiteren Aufträgen im Sanierungsgeschäft, abzulenken.
Nachzulesen:
1. Zu den Trägerfirmen Vgl. www.quartiersmanagement-berlin.de/Traegerliste.3219.0.html#c4998 (Stand: 16.01.2010)
2. Vgl. Ulrike Steglich, Der Senator, die Schlaghosen und der Milieuschutz (In: MieterEcho Zeitung der Berliner Mietergemeinschaft Nr. 271 November Dezember 1998)
3. Ebenda
4. www.asum-berlin.de/
5. www.mieterberatungpb.de/
6. Vgl. Matthias Bernt, Rübergeklappt. Die „Behutsame Stadterneuerung“ in Berlin der 90er Jahre, Schelzky & Jeep, Berlin 2003, S. 240
7. Vgl. Peter Nowak, Monopoly im Prenzlauer Berg (MieterEcho, Zeitung der Berliner Mietergemeinschaft Nr. 290 Mai 2002)
8. www.weeberpartner.de/
9. Vgl. Weeber + Partner, Weniger Beschädigung und Verschmutzung in Wohnanlagen: Was hilft Kurzfassung, 2007, S. 4
10. www.quartiersmanagement.de/
11. Vgl. IBB Wohnungsmarktbericht 2008, S. 69
12. Ebenda, S. 72
13. Vgl. Stefan Strauss, Weg von der Ramsch-Meile (Berliner Zeitung, 17.09.2009)
14. Untersuchungsgebiet Karl Marx Straße www.stadtentwicklung.berlin.de/wohnen/stadterneuerung/de/karl_marx_str/index.shtml/ (Stand 16.01.2010)